# taz.de -- Obama lässt Gefangenenlager bestehen: Guantánamo-Versprechen gebr… | |
> US-Präsident Obama hat die Wiederaufnahme der Militärprozesse im | |
> Gefangenenlager Guantánamo angekündigt. Und ist damit eingeknickt. | |
Bild: Auch mit Barack Obama als Präsident im Weißen Haus ist es noch nicht vo… | |
WASHINGTON taz | Zwei Jahre, einen Monat und 18 Tage hat es gedauert. Dann | |
ist Barack Obama eingeknickt: Guantánamo, das Gefangenenlager für | |
mutmaßliche Terroristen aus dem Ausland, bleibt bestehen. Die | |
Militärgerichtsverfahren außerhalb des Rechtsstaats können weitergehen. Die | |
unbefristete Gefangennahme bleibt bestehen. Und einen Termin für die - | |
offiziell immer noch angestrebte - Schließung der 2002 von George W. Bush | |
auf einer Navy-Basis am Südostzipfel von Kuba eröffneten Einrichtung gibt | |
es nicht mehr. | |
Einzige nennenswerte Veränderung gegenüber dem bisherigen Status ist, dass | |
künftig bei der Überprüfung der Inhaftierung der Guantánamo-Insassen auch | |
VertreterInnen anderer US-Regierungsstellen als das Militär beteiligt | |
werden sollen. Seit der Eröffnung von Guantánamo ist es die dritte neue | |
Regelung für solche Überprüfungen. | |
Obama unterzeichnete seine Verfügung über das Beibehalten von Guantánamo am | |
Montag in Washington. Das Dokument, so erklärten Weiße-Haus-Mitarbeiter in | |
einer anschließenden Telefonkonferenz, öffnet den Weg für die | |
Wiederaufnahme der Militärgerichtsverfahren in Guantánamo. Schon "in den | |
nächsten Tagen oder Wochen" könnten die Prozesse wieder beginnen. Zuvor | |
müsse Verteidigungsminister Robert Gates noch eine entsprechende Anordnung | |
unterschreiben. | |
Vermutlich werden als Erste nicht die mutmaßlichen Drahtzieher der | |
Attentate vom 11. September 2001 vor Gericht kommen - darunter der selbst | |
erklärte "Master Mind" Khalid Sheik Mohammed. Die US-Militärbehörden werden | |
stattdessen zunächst drei Verfahren gegen andere, weniger prominente | |
Insassen von Guantánamo eröffnen: Als Erster dürfte der aus dem Jemen | |
stammende Saudi-Araber Abd al-Rahim al-Nashiri vor Gericht kommen. Er ist | |
angeklagt, die Attacke vom Oktober 2000 gegen das Kriegsschiff "USS Cole" | |
im Hafen von Aden geplant zu haben, bei der 17 US-Amerikaner ums Leben | |
kamen. | |
Al-Nashiri, der im Jahr 2002 in Dubai gefangen wurde, erklärt, dass er | |
danach in Polen gefoltert worden sei. Das zweite Verfahren wird sich | |
vermutlich gegen Obaidullah richten. Der Afghane, der nur diesen einen | |
Namen benutzt, ist angeklagt, für al-Qaida in Afghanistan Minen und anderes | |
Sprengmaterial versteckt zu haben. Obaidullah wurde 2002 in Afghanistan | |
gefangen genommen. Er sagt, die Minen hätten nicht ihm, sondern einem | |
früheren Bewohner seines Hauses gehört. Und der habe sie unter der | |
sowjetischen Besetzung bekommen. | |
Das dritte Militärgerichtsverfahren in Guantánamo nach Obamas Anordnung | |
könnte sich gegen Ahmed al-Darbi richten. Der Mann aus Saudi-Arabien ist | |
2002 in Haft gekommen. Er soll in einem Al-Qaida-Lager unterrichtet und ein | |
Boot sowie elektronisches Material für einen Angriff auf ein unbekanntes | |
Schiff in der Straße von Hormus gekauft haben. Zu der Attacke kam es nicht. | |
Ein Anwalt erklärt, al-Darbi habe das Boot lediglich für Freizeitzwecke | |
benutzen wollen. | |
Obama hatte in seinem Wahlkampf und bei seinem Amtsantritt im Januar 2009 | |
versprochen, dass er Guantánamo schließen werde. Der neue Präsident hatte | |
dafür auch einen Zeitrahmen gesetzt: ein Jahr. Seit Januar 2009 hat in | |
Guantánamo, wo weiterhin 172 Männer inhaftiert sind, nur ein komplettes | |
Militärverfahren stattgefunden. Dabei wurde im vergangenen Jahr der | |
kanadische Kindersoldat Omar Khadr zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt wegen | |
Mordes an einem US-Soldaten im Zuge einer stundenlangen militärischen | |
Auseinandersetzung im Jahr 2001 in Afghanistan. Nach Absitzen eines Teils | |
seiner Strafe soll Khadr von Guantánamo nach Kanada überführt werden. | |
Die lange von der Obama-Verwaltung geprüfte Überführung der Insassen von | |
Guantánamo in die USA ist gescheitert. Gegen die Versuche, das mutmaßliche | |
Mastermind der Anschläge vom 11. September in New York und später auch an | |
anderen Standorten vor Gericht zu stellen, machten sich auch lokale | |
Behörden stark. Sie argumentierten mit dem Sicherheitsbedarf. Und mit den | |
für einen solchen Prozess verbundenen hohen Kosten. | |
Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg der Verhinderung der Übertragung der | |
Terrorprozesse an die zivile Justiz in den USA war das Urteil am Ende eines | |
Verfahrens im vergangenen November in New York. Dort sprach ein | |
Geschworenengericht einen Tansanier in mehr als 200 Punkten frei. Wegen | |
seiner Beteiligung an einem Bombenattentat gegen die US-Botschaft im Jahr | |
1998 erhielt er zwar dennoch eine lebenslängliche Haftstrafe. Doch die | |
Falken in der Guantánamo-Debatte benutzten das Urteil von New York seither | |
als Argument gegen die Zivilgerichtsbarkeit. | |
Schwer gegen die Verlagerung der Gefangenen in Gefängnisse - und vor | |
Gerichte - der USA wogen auch mehrere Entscheide im US-Kongress. Dieser | |
verhinderte - zuletzt im vergangenen Monat - solche Transfers. Hingegen | |
gelang es der Obama-Regierung, 70 ehemalige Gefangene aus Guantánamo an | |
andere Länder abzugeben. Die meisten von ihnen nach Europa. | |
Der Obama-Entscheid erfolgt zwei Tage, nachdem in Ägypten Demonstranten die | |
Quartiere des Geheimdienstes gestürmt haben. Das Mubarak-Regime und sein | |
Geheimdienst haben bei der Bekämpfung von Terrorismus eng mit den USA | |
zusammengearbeitet und unter anderem auch die Verhöre einzelner | |
Verdächtiger übernommen. Sprecher des Weißen Hauses erklären, die | |
Entscheidung Obamas habe sich nach monatelangen Expertisen aufgedrängt und | |
stehe durchaus im Einklang mit Obamas Grundsatzrede zu Guantánamo vom Mai | |
2009. | |
Damals hatte der US-Präsident erklärt, die unbefristete Inhaftierung von | |
nicht verurteilten Personen sei "die härteste Einzelfrage, mit der wir es | |
zu tun haben." | |
Menschenrechtsorganisationen wie die Amercian Civil Liberties Union (ACLU) | |
kritisieren den Obama-Entscheid. Direktor Anthony Romero: "Es ist eine | |
unbegrenzte Institutionalisierung einer Inhaftierung, die gesetzeswidrig, | |
unklug und unamerikanisch ist." | |
8 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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