# taz.de -- Regierung plant strengeres Ausländerrecht: Lern Deutsch, du Opfer! | |
> Die Bundesregierung will das Ausländerrecht verschärfen und Migranten | |
> Deutsch einbläuen. Aus Stammtischparolen dürfen keine Gesetze werden, | |
> meint die Opposition. | |
Bild: Hier spricht mancher besser Deutsch als in der CSU: Integrationskurs. | |
BERLIN taz | Die Bundesregierung macht ihre Drohungen wahr und will das | |
Ausländerrecht verschärfen. Wie im vergangenen Herbst von Kanzlerin Angela | |
Merkel auf dem Höhepunkt der Sarrazin-Debatte bereits angekündigt, soll | |
jetzt härter gegen vermeintliche Integrationsverweigerer vorgegangen | |
werden. Das entsprechende Gesetz soll bereits in der kommenden Woche | |
Innenausschuss und Parlament passieren. | |
In dem Änderungsantrag zum Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat schlagen | |
die innenpolitischen Sprecher von Union und FDP, Hans-Peter Uhl (CSU) und | |
Gisela Piltz, vor, Zuwanderern solange nur eine auf ein Jahr befristete | |
Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen, bis sie den Deutschtest, der am Ende | |
des Integrationskurses stattfindet, bestanden haben. "Auf diese Weise wird | |
den Betroffenen verdeutlicht, dass zwischen Aufenthaltsstatus und | |
Integrationsfähigkeit ein Zusammenhang besteht", heißt es in dem Antrag. | |
"Es ist mir egal, ob das Anreize schafft oder Druck ausübt. Hauptsache, der | |
Migrant lernt die deutsche Sprache", sagte Hans-Peter Uhl der taz. Wichtig | |
sei es, die Integrationsleistung zu überprüfen und bei einer Weigerung | |
Sanktionen zu verhängen. "Der Aufenthaltsstatus darf nicht noch verfestigt | |
werden, wenn jemand an den Kursen nicht teilnimmt." | |
CDU-Innenpolitiker Reinhard Grindel begründete die Verschärfung damit, dass | |
die Ausländerbehörden die Verpflichtung zum Integrationskurs bisher zu | |
wenig überprüft hätten. "Das wird künftig nach einem Jahr zur Pflicht", | |
sagte Grindel der taz. Werde der Sprachtest bestanden, gebe es eine | |
unbefristete Aufenthaltsgenehmigung. Bei Verweigerern könne unter | |
bestimmten Umständen die Genehmigung entzogen werden. | |
"Koppelt man den Aufenthaltsstatus an die erfolgreiche Teilnahme an einem | |
Integrationskurs, ist das keine Drangsalierung", verteidigt | |
FDP-Innenexperte Hartfrid Wolff das Gesetz. Es sei ein zusätzlicher Anreiz | |
für die, die zu einem Integrationskurs verpflichtet sind. "Die | |
Abbrecherquote soll sich reduzieren. Das ist durch so eine Regelung | |
möglich, da potenzielle Abbrecher dann genau wissen, dass sie nur einen | |
befristeten Aufenthaltsstatus bekommen, solange sie den Kurs nicht | |
erfolgreich abgeschlossen haben", sagte Wolff der taz. | |
## "Angebote verbessern" | |
Die Verschärfung beträfe rund 64.000 Migranten jährlich, die bereits jetzt | |
zu Integrationskursen verpflichtet sind. Insbesondere sind das | |
Neuzuwanderer etwa aus der Türkei, Libanon, aber auch Russland und China. | |
Bisher reicht eine regelmäßige Teilnahme aber aus, um nicht den | |
Aufenthaltsstatus zu verlieren. Die abschließenden Deutschtests bestehen | |
derzeit in etwa die Hälfte der Teilnehmer. | |
Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, | |
hält den "repressiven Ansatz" der Koalition für völlig verfehlt. "Er wird | |
versucht, unter veränderten Vorzeichen die Sarrazin-Debatte aufzunehmen", | |
sagte Wiefelspütz der taz. Aus Stammtischparolen dürften aber keine Gesetze | |
gemacht werden. "Diese Drangsalierung der Migranten schafft in den Kursen | |
nicht die Atmosphäre, die notwendig wäre." | |
Auch die Grünen kritisieren den Vorstoß. "Das ist ein pures | |
Ablenkungsmanöver von den eigentlichen Problemen der Integrationspolitik", | |
sagte Volker Beck, parlamentarischer Geschäftsführer der | |
Grünen-Bundestagsfraktion, der taz. Es gebe etwa viel zu wenig Angebote für | |
die, die Integrationskurse freiwillig besuchen wollen. Auch müssten die | |
Kurse völlig an die individuellen Bedürfnisse der Migranten angepasst | |
werden. "Man sollte nicht ausschließlich über die wenigen Problemfälle | |
reden, sondern versuchen, die Angebote für die große Masse an motivierten | |
Migranten zu verbessern", sagte Beck. | |
Neben den Sprachtests plant die Koalition eine weitere Verschärfung: So | |
soll die Frist für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für verheiratete | |
Frauen von zwei auf drei Jahre erhöht werden, um Scheinehen zu verhindern. | |
Beim Bleiberecht sind hingegen Erleichterungen für gut integrierte, | |
geduldete Jugendliche geplant. Diese sollen unabhängig vom Status der | |
Eltern ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten, wenn sie mindestens sechs | |
Jahre in Deutschland leben, die Schule erfolgreich besuchen oder einen | |
Abschluss haben. Die Erteilung des Bleiberechts soll allerdings im Ermessen | |
der Behörden liegen. | |
10 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Paul Wrusch | |
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