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# taz.de -- Probleme bei der Einbürgerung: Integration auf Kosten der Kinder
> Frau M. hat zwei Kinder und sollte zum Sprachkurs. Weil es keine
> Kinderbetreuung gab, klagte sie. Das Gericht urteilte, sie könne zum
> Sprachkurs in eine andere Stadt fahren.
Bild: Integrationskurs: Von zehn Teilnehmern kommen vier freiwillig, zwei sind …
Man könnte Frau M. eine Integrationsverweigerin nennen. Außer "Guten Tag"
und "Wie gehts?" hat die Kosovoalbanerin seit ihrer Einreise nach
Deutschland im Jahr 2006 kaum Deutsch gelernt. Zweimal forderte die
zuständige Ausländerbehörde sie auf, am Integrationskurs teilzunehmen. "Als
Mutter zweier kleiner Kinder besitze sie immer noch keine einfachen
Deutschkenntnisse und sei daher besonders integrationsbedürftig", zitiert
das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße die amtliche Begründung.
M. entzog sich nämlich nicht nur ihrer Pflicht zur Kursteilnahme, sie
klagte sogar dagegen.
"Meine Mandantin ist nicht integrationsunwillig", beteuert ihr Rechtsanwalt
Tobias Ohr. Sie habe nur nicht gewusst, wie sie es schaffen sollte, mit
zwei Kleinkindern am Kurs teilzunehmen, und um Aufschub gebeten. Das
Gericht wies die Klage im Dezember 2010 jedoch ab. "Rechtslage und Praxis
gehen hier auseinander", sagt Ohr.
Im Jahre 2004 führte die damalige rot-grüne Bundesregierung
Integrationskurse ein, um so die Deutschkenntnisse von Zuwanderern und
nichtdeutschen Muttersprachlern zu verbessern. Die jetzige schwarz-gelbe
Regierung geht davon aus, dass bis zu 15 Prozent der Menschen sich nicht
integrieren wollen, und plant eine Verschärfung des Ausländerrechts.
Betroffen wären vor allem die jährlich rund 64.000 Menschen, die zum
Integrationskurs verpflichtet werden: Zugereiste etwa aus der Türkei und
Osteuropa, Migranten, die Hartz IV beziehen, aber auch Menschen wie Frau
M., die Kinder erziehen und kein Deutsch sprechen.
Als die Behörde sie im September 2008 zur Teilnahme am Kurs aufforderte,
war ihr erstes Baby einen Monat alt; als die zweite Aufforderung im Januar
2010 eintraf, zählte ihr zweites Kind vier Monate. Mit dem Hinweis, dass
der Mutterschutz abgelaufen sei und es auch Kurse mit Kinderbetreuung gebe,
forderte die Behörde M. auf, "unverzüglich ihrer Teilnahmeberechtigung
nachzukommen".
Etwa 10 Prozent der Menschen, die zum Integrationskurs müssen, erscheinen
laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gar nicht oder brechen den
Kurs ab. Gründe hierfür können die Betreuung von Familienangehörigen, eine
Schwangerschaft, eine Arbeitsaufnahme oder auch mangelnde Motivation sein.
"Eine detaillierte statistische Erfassung und Auswertung dieser Gründe ist
nicht möglich", heißt es. Um unmotivierte Kursteilnehmer anzutreiben, gibt
es jedoch bereits jetzt Sanktionsmöglichkeiten. Die Jobcenter können
Hartz-IV-Empfängern Geld kürzen oder ganz streichen, die Ausländerbehörde
kann Neuzuwanderern die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis versagen.
Seiner Mandantin wurde angedroht, ihr die unbefristete Aufenthaltserlaubnis
wieder zu entziehen, berichtet Ohr. Den Einwand, dass die beiden
Volkshochschulen in der Nähe keine Kinderbetreuung anböten, ließ das
Gericht nicht gelten. Es sei ihr zuzumuten, mit öffentlichen
Verkehrsmitteln in eine andere Stadt zu fahren.
"Die Diskussion über Integrationsverweigerer ist eine Phantomdebatte, die
nicht durch die Realität gedeckt ist", meint Andreas Germershausen,
Vertreter des Berliner Ausländerbeauftragten. "Insgesamt besteht eher das
Problem, dass die Kurse überlaufen sind." M. hat sich jetzt an der
Volkshochschule Mannheim angemeldet. Einen Nutzen hat der Prozess immerhin
gehabt, meint ihr Anwalt: "Die Richterin hat sie erstmals darüber
aufgeklärt, welche Zuschüsse sie wo beantragen kann."
11 Mar 2011
## AUTOREN
Anna Lehmann
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