# taz.de -- Kommentar Verschärfung Ausländerrecht: Union statt Integration | |
> "Wer kein Deutsch lernt, der fliegt raus": So lautet die Botschaft der | |
> Union an Einwanderer. Auch die verunsicherten Wähler erhalten eine | |
> Nachricht: "Wir tun etwas!" | |
Einwanderer sollten die deutsche Sprache beherrschen, wollen sie sich in | |
Deutschland zurechtfinden; und es ist schade, dass nicht alle Migranten, | |
die per Gesetz zu einem Integrationskurs verpflichtet wurden, ihn am Ende | |
mit perfekten Deutschkenntnissen abschließen. Was also spricht dagegen, das | |
Ausländerrecht zu verschärfen, um Zuwanderer zum Deutschlernen anzuhalten, | |
wie es die Bundesregierung jetzt plant? | |
Eine ganze Menge. Erstens ist es immer fragwürdig, die Gewährung von | |
Bürgerrechten - und dazu gehört das Aufenthaltsrecht für Ausländer - daran | |
zu knüpfen, ob bestimmte Leistungen erbracht werden oder nicht. Das | |
Wahlrecht erhalten ja auch nicht nur Doktoranden. Und wer sagt denn, dass | |
es nur an den Migranten liegt, wenn sie Integrationskurse abbrechen? Über | |
die Qualität und den Sinn dieser Kurse lässt sich trefflich streiten. | |
Schon jetzt kann sein Aufenthaltsrecht verlieren, wer gar nicht erst zum | |
Integrationskurs erscheint, obwohl er dazu verpflichtet wurde. Wenn nun nur | |
noch jene eine Aufenthaltserlaubnis erhalten sollen, die einen Sprachtest | |
bestehen, werden die Daumenschrauben eine weitere Umdrehung angezogen. Die | |
implizite Botschaft lautet: Wer kein Deutsch lernt, der fliegt raus. | |
Längst geht es nicht mehr darum, ob solche drakonischen Maßnahmen die | |
Integration von Einwanderern verbessern oder nicht. Denn dafür sind sie gar | |
nicht gedacht. Sie sind vielmehr ein Placebo, mit dem die Bundesregierung | |
ihren verunsicherten Wählern suggerieren will: Wir tun etwas! | |
Schon auf dem Höhepunkt der Sarrazin-Hysterie, im September 2010, hatte | |
Angela Merkel angekündigt, dass die CDU weiter für konservative Wähler | |
attraktiv bleiben wolle und daher auf härtere Sanktionen gegen | |
"Integrationsverweigerer" dränge. In bemerkenswerter Deutlichkeit stellte | |
sie damals klar, dass es ihr mit solchen Maßnahmen nicht um die Integration | |
von Einwanderern geht, sondern darum, zu verhindern, dass rechts von der | |
Union eine neue Partei entsteht. | |
Während die CSU seither auf brachiale Rhetorik setzt und Seehofer holzt, er | |
werde bis zur "letzten Patrone" gegen weitere Einwanderung kämpfen, geht | |
die CDU etwas subtiler zur Sache. Einig sind sich beide jedoch in ihrer | |
Stoßrichtung: Das größte Integrationsproblem der Republik seien | |
Einwanderer, denen der Wille zum Deutschlernen fehle. Das aber ist ein | |
Ammenmärchen. | |
10 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
EU-Kommission widerspricht Deutschland: Sprachtests nach EU-Recht fragwürdig | |
Die EU-Kommission hält Sprach- und Integrationstests, die den Nachzug von | |
Ehegatten einschränken, für unzulässig. Auch die Rechtslage in Deutschland | |
ist davon betroffen. | |
Probleme bei der Einbürgerung: Integration auf Kosten der Kinder | |
Frau M. hat zwei Kinder und sollte zum Sprachkurs. Weil es keine | |
Kinderbetreuung gab, klagte sie. Das Gericht urteilte, sie könne zum | |
Sprachkurs in eine andere Stadt fahren. | |
Seehofers Pläne für MigrantInnen: CSU ist nicht integriert | |
Horst Seehofer bekommt nach seinen Äußerungen zur Integration heftigen | |
Gegenwind. Sogar der Koalitionspartner FDP lehnt eine Verfassungsänderung | |
ab. | |
Regierung plant strengeres Ausländerrecht: Lern Deutsch, du Opfer! | |
Die Bundesregierung will das Ausländerrecht verschärfen und Migranten | |
Deutsch einbläuen. Aus Stammtischparolen dürfen keine Gesetze werden, meint | |
die Opposition. | |
Vorwurf Volksverhetzung: Ex-Staatssekretär zeigt Seehofer an | |
"Bis zur letzten Patrone": Nach Seehofers Rede am Aschermittwoch hat ein | |
ehemaliger SPD-Politiker Anzeige gegen den CSU-Chef erstattet. Der störe | |
den "öffentlichen Frieden". | |
Politischer Aschermittwoch der CSU: Besinnungslos populistisch | |
Die CSU hat sich beim politischen Aschermittwoch so aggressiv wie lange | |
nicht mehr präsentiert. Sie will eine Volksabstimmung über Integration und | |
Leitkultur. |