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# taz.de -- CDU-Parteitag in NRW: Realitätsnahe Schulpolitik
> Die Landes-CDU in NRW will die Gesamtschulen nicht mehr bekämpfen, hält
> aber am alten Schulsystem fest. Den schwierigsten Part hatte am Samstag
> Norbert Röttgen.
Bild: Für einen Kompromiss um des Schulfriedens Willen: Norbert Röttgen (m).
SIEGEN taz | Auf ihrem langen Marsch hin zur schulpolitischen Realität an
Rhein und Ruhr ist die nordrhein-westfälische CDU einen Schritt
vorangekommen. Auf ihrem Landesparteitag am Samstag in Siegen
verabschiedete sie mit großer Mehrheit eine vorsichtige Neuausrichtung:
Zwar hält die Partei weiter unbeirrbar am gegliederten Schulsystem fest,
will aber trotzdem Gesamt- und Verbundschulen nicht weiterbekämpfen.
Eigentlich hatte die Veranstaltung ganz im Zeichen der Schulpolitik stehen
sollen. Dass das aufgrund der atomaren Katastrophe in Japan jedoch kaum
möglich sein würde, demonstrierte der Auftritt des CDU-Landesvorsitzenden:
Norbert Röttgen versuchte sich an einem höchst komplizierten Balanceakt,
seine diversen Rollen unter einen Hut zu bringen - besorgter
Bundesumweltminister auf der einen, scharf attackierender Oppositionsführer
auf der anderen Seite.
So hielt Röttgen zunächst eine kurze, betroffene Rede zu Japan, um dann
keine zwanzig Minuten später in aggressiv-kämpferischem Ton die rot-grüne
Minderheitsregierung zu geißeln. Lege diese keinen verfassungskonformen
Haushalt für 2011 vor, werde die CDU erneut beim Landesverfassungsgericht
klagen und dies mit einem Antrag auf Neuwahlen verbinden, kündigte er an.
Die Staatsverschuldung sei die "ökonomische, politische und moralische
Grundauseinandersetzung" in NRW.
Gleichzeitig signalisierte Röttgen jedoch Rot-Grün ein Entgegenkommen in
der Schulpolitik: "Wir bieten der Landesregierung und dem Land einen
Schulformfrieden an." So richtig zusammen passte das alles nicht.
Dem jetzt verabschiedeten zehnseitigen Schulkonzept unter dem Titel "Jedem
Kind gerecht werden" war eine monatelange Diskussion an der Basis
vorausgegangen.
Mehr als 700 Änderungsanträge lagen dem Parteitag vor. Besonders die
positive Bezugnahme auf die Gesamtschule im Ursprungsentwurf erregte die
Gemüter. Dort hatte es geheißen, die CDU sehe "in den Gesamtschulen eine
Bereicherung des Schulsystems". Das ging dem CDU-Landesvorstand zu weit,
der aus der "Bereicherung" ein "wichtiges Element" machte.
Aber zahlreichen Kreisverbänden war auch das noch zu viel. Auch wenn sie
bereit seien, "zur Bewahrung des Schulfriedens um der Kinder willen die
Entscheidungen zu akzeptieren, die mit anderen politischen Mehrheiten
beschlossen worden sind", dürfe die CDU "aber zur Bewahrung der eigenen
Glaubwürdigkeit eine von ihr Jahrzehnte politisch bekämpfte Institution
nicht noch positiv hervorheben", argumentierten sie. Mit Erfolg: In der
beschlossenen Fassung sind die Gesamtschulen jetzt nur noch "ein Element".
Eine wirkliche Kursänderung gibt es in der Haltung zur Hauptschule. Zwar
sieht die NRW-CDU in ihr weiterhin "einen idealen Ort der Förderung von
Kindern insbesondere mit praktischen Befähigungen". Als Reaktion auf "die
demografische Entwicklung und auf die Akzeptanzprobleme" fordert sie aber
nicht weiter eine Bestandsgarantie. Stattdessen will sich die NRW-CDU nun
dafür einsetzen, "dass auch dort, wo aufgrund der Schülerzahlen
eigenständige Haupt- und Realschulen nicht mehr nebeneinander bestehen
können, möglichst wohnortnah, zum Beispiel in einer Verbundschule, ein
gegliedertes Schulangebot weiterhin gewährleistet ist". Die im vergangenen
Jahr abgewählte schwarz-gelbe Landesregierung hatte solche Verbundschulen
noch strikt blockiert.
Zur Unterstützung des von der grünen Schulministerin Sylvia Löhrmann
präferierten Modells einer Gemeinschaftsschule konnten sich die Delegierten
allerdings nicht durchringen. Es sei ein "Irrweg, das gegliederte und schon
jetzt durchlässige Schulwesen aufzugeben und schleichend über Schulversuche
ein Einheitsschulwesen an seine Stelle treten zu lassen". Schon alleine,
dass auf dieser neuen Gemeinschaftsschule in der 5. und 6. Klasse alle
Schülerinnen und Schüler nach gymnasialen Standards unterrichtet werden
sollen, brachte CDU-Landtagsfraktionschef Karl-Josef Laumann kräftig in
Rage. Unter Beifall polterte er: "Wenn jemand Schlosser werden will, muss
er Dreisatz können und nicht eine dritte Fremdsprache."
13 Mar 2011
## AUTOREN
Pascal Beucker
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