# taz.de -- Bemühen um Gegenöffentlichkeit im Netz: Die eisernen Anti-Anti-At… | |
> Alarmismus bekriegen sie, hinter der Atom-Debatte sehen sie nichts als | |
> Machtpolitik: Eine Gruppe deutschsprachiger Publizisten schwimmt gegen | |
> den Strom. | |
Bild: Ihnen schlägt von Seiten mancher Publizisten Abneigung entgegen: Fröhli… | |
BERLIN taz | Die Katastrophe in Japan ist allgegenwärtig: Fast überall in | |
der Medienlandschaft kommt die Angst vor einem drohenden Super-GAU in | |
Fukushima zum Ausdruck, die Atom-Debatte ist von neuem aufgeflammt - und | |
wird mit großer Ernsthaftigkeit geführt. Doch während sich Viele sorgen, | |
begegnet eine handvoll Publizisten den Ereignissen in Japan und besonders | |
der hierzulande vor sich gehenden Debatte mit einer vollkommen anderen, | |
sehr deutlichen Haltung. | |
Eine gern gewählte Plattform hierfür ist das konsequent liberale Blog | |
[1][Die Achse des Guten], das nach eigenen Angaben "Raum für unabhängiges | |
Denken" bietet. Dort übertitelt ein gewisser Dr. Oehmen [2][seinen Beitrag] | |
mit "Warum ich über die Kernkraftwerke in Japan nicht beunruhigt bin". Die | |
Begründung folgt sogleich: "Die Situation ist ernst, aber unter Kontrolle". | |
Mittlerweile seien die Anlagen sicher und werden auch sicher bleiben, so | |
der Wissenschaftler vom renommierten US-amerikanischen MIT. Der nukleare | |
Unfall habe lediglich lokale Auswirkungen - schlecht sei das nur für die | |
Betreibergesellschaft des Kraftwerks, für alle anderen nicht. "Säßen Sie | |
auf der Spitze des Kraftwerkschornsteins, sollten Sie vielleicht das | |
Rauchen aufgeben, um ihre alte Lebenserwartung zurückzubekommen." | |
## "Gutgelaunte Ökös grinsen in die Kameras" | |
Weit mehr als die fachliche, sorgt jedoch die politische Dimension des | |
Vorfalls in Fukushima für Diskussionen. "Tausende, vielleicht zehntausende | |
Menschen sterben bei einer schrecklichen Naturkatastrophe und sie | |
interessieren die deutschen Medien einen Dreck", [3][empört sich] der Autor | |
David Harnasch, ebenfalls Mitwirkender bei der Achse des Guten. | |
"Gutgelaunte Ökos grinsen bei einer Anti-AKW-Menschenkette in die Kameras, | |
weil die Teilnehmerzahlen über den Erwartungen liegen." Angesichts solcher | |
Bilder falle es Harnasch schwer, den Kernkraftgegnern ihr Bedauern | |
abzunehmen. | |
Der Blog wartet mit noch mehr Gegenöffentlichkeit auf. Der Autor Burkhard | |
Müller-Ulrich beispielsweise [4][glaubt], dass es in Japan im glücklichsten | |
Fall nicht ganz so viele Opfer zu verzeichnen gebe, wie es in Deutschland | |
Demonstranten gibt, die - da ist er sich mit Harnasch einig - "das | |
grässliche Geschehen zum Anlass nehmen, um gelbe Luftballons zu schwenken | |
und in die Fernsehkameras zu grinsen, weil bei ihrer Outdoor-Anti-AKW-Party | |
das schönste Frühlingswetter herrscht." | |
Auch Gideon Böss hat die "Schnauze voll", wie der Titel [5][seines | |
Eintrags] auf der Achse des Guten vermuten lässt. Deutsche Spitzenpolitiker | |
der Grünen, Linken und SPD schlachteten die japanische Naturkatastrophe für | |
ihre eigene "Atomausstieg jetzt"-Agenda aus. | |
## "Warum tragen Atomexperten lange Haare?" | |
Jan Fleischhauer ist auf der "Achse des Guten" ebenfalls unter der Rubrik | |
"Autoren" zu finden, hat in der aktuellen Debatte jedoch auf seine | |
Spiegel-Online Kolumne und auf Twitter als Plattform zurückgegriffen, | |
[6][wo zu lesen war]: "Warum tragen die meisten Atomexperten, die jetzt bei | |
ARD oder ZDF auftreten, lange Haare, offen oder im Zopf? Hilft das gegen | |
Strahlen?" Der Autor des Buches "Unter Linken - wie ich aus Versehen | |
konservativ wurde", twitterte außerdem: "Nichts sehnt der Atomgegner im | |
tiefsten Herzen mehr herbei als den Unfall: Daher der jubilierende Ton | |
vieler Katastrophenmeldungen." | |
In seiner Spiegel-Online Kolumne [7][konstatierte er zwei Tage später], | |
dass Volker Beck, Bundestagsabgeordneter der Grünen, diesen Tweet "inhuman, | |
widerlich und zynisch" genannt habe. Fleischhauer bleibt jedoch bei seiner | |
kritischen Position: "Dem deutschen Atomgegner reicht die Nachricht von | |
einem brennenden Meiler, und er weiß, dass es Zeit für Mahnwachen ist." | |
Andernorts in Europa verschaffe man sich erst einmal einen Überblick. Doch | |
hier müsse man fast "den Eindruck gewinnen, mitten in Deutschland habe sich | |
ein Atomkraftwerk in einer Kettenreaktion verabschiedet und nicht 10.000 | |
Kilometer entfernt in einer japanischen Provinz." | |
Der Spiegel-Redakteur traut der Betroffenheit nicht: "Der Atomtod macht | |
bekanntlich jeden zum Opfer, wo immer er auch lebt, selbst wenn er | |
anschließend nur auf japanische Shiitake-Pilze verzichten muss." | |
Fleischhauer vermutet machtpolitische Interessen hinter der | |
Anti-Atom-Bewegung, denn kaum jemand bei den Atomkraftgegnern verlöre ein | |
Wort über die Toten, die jetzt vor der Küste Sendais trieben - "vielleicht | |
weil man Stefan Mappus dafür nicht wirklich verantwortlich machen kann." | |
15 Mar 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://www.achgut.com/dadgdx/index.php | |
[2] http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/jetzt_auf_deutsch_waru… | |
[3] http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/atompanik_diesmal_auch… | |
[4] http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/deutsche_protestkultur… | |
[5] http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/schnauze_voll/ | |
[6] http://twitter.com/janfleischhauer | |
[7] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,750759,00.html | |
## AUTOREN | |
F. Gritti | |
C. Zimmermann | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
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