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# taz.de -- Tschernobyl-Doku auf Arte: Die große Verarschung
> Arte zeigt mit "Die Wolke" (20.15 Uhr) eine Doku über den Reaktorunfall
> von Tschernobyl. Beim Zuschauer bleibt eine Frage: Werden wir wenigstens
> diesmal nicht belogen?
Bild: Geigerzähler sind nach dem Unfall in Tschernobyl restlos ausverkauft.
Kurzfristig hat Arte am Mittwoch einen Dokumentarfilm ins Programm gehoben,
in dem der Name "Fukushima" nicht einmal fällt und der trotzdem aktueller
kaum sein könnte. "Die Wolke" von Karin Jurschik sollte eigentlich zum 25.
Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl Ende April laufen, die nun
von den Ereignissen in Japan überlagert wird - ein gekürzter 45-Minüter
lief daher bereits am Samstag um 20.45 Uhr statt "Musikantenstadl" im
Ersten.
Mit der aktuellen Katastrophe im Hinterkopf, die ein "ZDF spezial" am
Montagabend noch reichlich optimistisch mit Fragezeichen versah, bleibt
beim Zuschauer vor allem eine Frage zurück: Werden wir wenigstens diesmal
nicht verarscht?
Zwar ging die Desinformation im Westen nicht so weit wie in einem Beitrag
der DDR-Sendung "Aktuelle Kamera" vom 6. Mai 1986, keine zehn Tage nach dem
GAU in der Sowjetunion: "Während der Thälmann-Park mit Tulpenmeer und
anderen Attraktionen zu Spaß und Spaziergang einlud, legten die
benachbarten Kleingärtner Hand an Haus und Beet", heißt es darin. "So wie
in Berlin zeigte sich das Wetter überall in der Republik von seiner
sonnigen Seite."
In Frankreich verbreitetete der staatliche Wetterdienst unterdessen die Mär
eines Azorenhochs "als veritable Schutzschranke" gegen die atomare
Bedrohung. Dort ließ sich die Nachricht vom Unfall nicht unter dem Teppich
halten wie in der DDR - die Propaganda hätte allerdings auch das Politbüro
kaum besser hingekriegt. "Es gibt in Frankreich überhaupt kein Problem",
begann der damalige Industrieminister Alain Madelin eine TV-Ansprache,
während im Hintergrund emsige "Experten" am Telefon seine Lügen
verbreiteten.
Fast noch imposanter als das entlarvende Archivmaterial ist die Riege von
Zeitzeugen - Atomkritikern wie Befürwortern, Profiteuren wie Opfern -, die
Jurschik vor die Kamera bekommen hat: Politiker, Wissenschaftler und
sonstige Experten genauso wie ganz normale Leute, die Tschernobyl
politisiert hat. In einer gelungenen Montage debattieren sie über
"Tschernobyl und die Folgen" (Untertitel).
Während der damalige hessische Umweltminister Joschka Fischer mal wieder
mit den Fundis abrechnet, die durch ihre Radikalität den Aufstieg der
Grünen zur Volkspartei verhindert hätten, hat Rita Süssmuth, damals
Bundesgesundheitsministerin, offenbar Abstand gewonnen und spart nicht an
Selbstkritik: "Es ist so viel heruntergespielt worden", sagt sie. "Wir
kamen fast in der Gefahr um und meinten, wir hätten die Gefahr im Griff."
"Mittlerweile wird in Deutschland der Ausstieg aus dem Ausstieg
vorbereitet", heißt es am Schluss des Films. "Die Zukunft der Kernenergie
ist ungewiss." Und da beginnt die andere Geschichte, die, die uns gerade so
kalt erwischt.
16 Mar 2011
## AUTOREN
David Denk
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
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