# taz.de -- Risiken waren anscheinend bekannt: Schrottreaktor im Erdbebengebiet | |
> Das AKW Fukushima barg Konstruktionsmängel, wie ein am Bau beteiligter | |
> Ingenieur sagte. Offenbar warnte die IAEA bereits vor zwei Jahren die | |
> Regierung. | |
Bild: Das AKW Fukushima vor und nach der Katastrophe. | |
BERLIN dpa/taz | Nach der offiziellen Version kam es zu dem Unglück in den | |
Reaktoren im japanischen Fukushima, weil der Tsunami die Dieselgeneratoren | |
für die Notkühlung außer Gefecht setzte: Höhere Gewalt also, sodass niemand | |
damit rechnen konnte. Nach dem Erdbeben hätten sich die Kraftwerke dagegen | |
korrekt abgeschaltet. Dieser Version widerspricht jetzt der japanische | |
Ingenieur Masashi Goto, der bei Toshiba an der Konstruktion der nun | |
zerstörten Kernkraftwerke beteiligt war. | |
Auf einer Pressekonferenz des atomkritischen Citizens Nuclear Information | |
Center in Tokio wies Masashi darauf hin, dass bereits das Erdbeben die | |
Reaktoren beschädigt habe. Ingenieure hätten schon lange auf die Probleme | |
aufmerksam gemacht, Toshiba habe aus Kostengründen auf Verbesserung der | |
Erdbebensicherheit verzichtet. Zudem gab es offenbar Konstruktionsmängel. | |
Die Reaktoren wurden in den 60er-Jahren von General Electric entworfen. | |
Alle vier Katastrophenblöcke basieren darauf. | |
Masashi größte Sorge ist ein Schaden an der Stahlverkleidung der Reaktoren. | |
Sie sollte verhindern, dass große Mengen Radioaktivität frei werden. | |
Explosionen könnten sie beschädigt haben, die wiederum auf | |
Konstruktionsmängel zurückzuführen sein könnten. So hat das Beben in Block | |
2 möglicherweise zu dünn ausgelegte Rohre zerstört, die den Druck aus dem | |
Reaktor hätten abführen sollen. | |
In Block 4 schwappte während des Bebens wahrscheinlich ein Tank mit | |
Kühlwasser über den Reaktor. Durch die Verpuffung könnte später ein Feuer | |
ausgebrochen sein, sagt Masashi. An der von ihm angegebenen Stelle hat sich | |
tatsächlich aus Kühlwasser explosiver Wasserstoff abgespalten. Außerdem sei | |
Reaktor 4, der mit einer Mischung aus Plutonium und Uran befeuert wurde, | |
nicht für diesen Brennstoff ausgelegt. | |
Auch die New York Times berichtete von Mängeln an dem Reaktor. Demnach gab | |
es bereits 1972 Warnungen, der Schutzmantel um den Reaktor könnte | |
explodieren, wenn die Brennstäbe überhitzen. Eigentlich sollte ebenjener | |
innere Schutzmantel selbst im Fall einer Kernschmelze dicht halten. In den | |
USA sind 16 Mark-I-Reaktoren in Betrieb. | |
Zudem hat die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Japan bereits vor | |
mehr als zwei Jahren auf eventuelle Probleme mit der Erdbebensicherheit | |
seiner Atomkraftwerke hingewiesen. Die Anlagen seien starken Beben nicht | |
gewachsen, wird ein IAEA-Experte in einer diplomatischen US-Depesche vom | |
Dezember 2008 zitiert. Das berichtet die britische Zeitung Daily Telegraph | |
unter Berufung auf die Enthüllungsplattform Wikileaks. | |
Ein anonymer Vertreter der IAEA habe bei einem Treffen der G-8 Nuclear | |
Safety and Security Group 2008 darauf hingewiesen, dass die | |
Sicherheitsrichtlinien zum Schutz der japanischen Atomanlagen vor Erdbeben | |
in den vergangenen 35 Jahren lediglich dreimal überprüft worden seien. | |
Frühere Erdbeben hätten gezeigt, dass die Anlagen stärkeren Erdstößen nicht | |
widerstehen könnten. | |
Japan hatte daraufhin ein Notfallschutzzentrum gebaut. Die Anlagen selbst | |
blieben aber laut Telegraph nur gegen Erdbeben der Stärke 7 gewappnet. Das | |
Beben, dass die Katastrophe von letztem Freitag auslöste, hatte die Stärke | |
9. | |
17 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
I. Arzt | |
F. Milkereit | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Atomunfall in Japan: Große Show mit wenig Worten | |
Die Informationspolitik der Japaner sorgt zunehmend für Ärger. Sogar aus | |
den USA kommt Kritik wegen mangelhafter und widersprüchlicher Meldungen. | |
Atomare Landesgeschichte Japans: Katastrophal friedliche Nutzung | |
Nach Hiroshima und Nagasaki: Warum ausgerechnet Japan, das bittere | |
Erfahrungen mit radioaktiver Strahlung hat, auf Atomenergie baut. | |
Kernkraft-Debatte in Frankreich: Atomausstieg ist tabu | |
Die französische Staatsführung ist überzeugt, ihre AKWs seien die | |
sichersten. Hinter der japanischen Katastrophe werden Vorteile für die | |
nukleare Industrie Frankreichs gewittert. | |
Liveticker Katastrophe Japan: Kampf um Fukushima | |
Der Wettlauf mit der Zeit im AKW Fukushima hält weiter an. 130 | |
Feuerwehrleute haben mit einem weiteren Kühlversuch begonnen. Aus | |
Reaktorblock 2 steigt weiter Rauch auf. | |
Porträt japanischer Generaldirektor der IAEA: Der unscheinbare Verwalter | |
Seine Vorgänger waren Führungsfiguren mit politischen Positionen. Yukiya | |
Amano, Generaldirektor der IAEA, bleibt hingegen blass - besonders in der | |
jetzigen Krise. | |
Japans Wirtschaft passt sich an: Die Regale füllen sich wieder | |
Mütter mit Kleinkindern verlassen Tokio. Ansonsten richtet man sich mit der | |
Situation ein, vor allem wirtschaftlich. Wann aber die Chiphersteller | |
wieder produzieren, ist offen. | |
Spekulation mit Atomkatastrophe: Fukushima lässt Solaraktien schwanken | |
Erst gingen die Kurse steil nach oben, dann fielen einige am Mittwoch | |
wieder deutlich. Dahinter stecken kurzfristige Spekulationen. | |
Katastrophe in Japan: AKW-Arbeiter kehren zurück | |
Das japanische Katastrophen-AKW gleicht nach Explosionen und Bränden einem | |
gigantischen Schrottplatz. Kaiser Akihito wendet sich erstmals ans Volk. | |
Weiterhin Kritik an Informationspolitik. |