# taz.de -- Strahlenbelastung in Japan steigt: Trinkwasser ist tabu | |
> Die japanischen Behörden haben den Verkauf von Gemüse und Milch verboten, | |
> das Trinkwasser ist radioaktiv verseucht. Und jetzt weht die Wolke auch | |
> noch Richtung Tokio. | |
Bild: Abgepacktes Trinkwasser – das braucht Japan jetzt. | |
BERLIN taz | Mehr als eine Woche nach der Katastrophe im Atomkraftwerk | |
Fukushima Daiichi, rund 200 Kilometer nordöstlich von Tokio gelegen, nimmt | |
die Strahlenbelastung in Japan weiter zu. Am Montag verhängten die Behörden | |
ein Verkaufsverbot von Milch und Gemüse aus vier Provinzen. Zuvor wurden | |
teilweise hohe Strahlenwerte gemessen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO | |
ist über die Belastung von Lebensmitteln "stark besorgt". | |
Bei Hitachi, rund 100 Kilometer südlich des Kraftwerkes, wurde in Spinat | |
ein Wert von 54.000 Becquerel bei Jod-131 pro Kilogramm gemessen; der | |
Cäsiumwert lag bei knapp 2.000 Becquerel je Kilogramm. Die Grenzwerte | |
liegen in Japan bei 2.000 Becquerel für Jod und bei 500 Becquerel für | |
Cäsium. Die WHO empfiehlt jedoch einen Grenzwert von 100 Becquerel pro | |
Kilo. Auch bei Milch wurden erhöhte Strahlenwerte gemessen. | |
Messungen im Dorf Iitate, das rund 40 Kilometer nordwestlich vom Kraftwerk | |
liegt, haben eine Belastung des Trinkwassers von 965 Becquerel pro Liter | |
ergeben, der Grenzwert liegt bei 300 Becquerel. Das berichten japanische | |
Medien unter Berufung auf das Gesundheitsministerium. Seit Tagen wird in | |
Iitate eine starke Strahlenbelastung registriert, wie aus Messreihen | |
hervorgeht, die eine lokale Organisation veröffentlich. | |
Demnach betrug die Belastung mehrere Tage lang rund 20 Mikrosievert pro | |
Stunde, am Montag sank sie auf knapp 12 Mikrosievert pro Stunde. Andere | |
Orte, auch in der Katastrophenregion, wiesen deutlich geringere Werte auf. | |
In Soma, rund 25 Kilometer nördlich vom Kraftwerk gelegen, betrugen die | |
Werte am Montag 2 bis 3 Mikrosievert pro Stunde. Die Belastung von Iitate | |
hängt wohl mit den dort vorherrschenden Winden zusammen. | |
Am Montag drehte der Wind auf nördliche beziehungsweise nordöstliche | |
Richtungen - was Iitate offenbar entlastete und stattdessen den Großraum | |
Tokio belastete. In Tokio wurden nach Angaben lokaler Behörden am Montag | |
maximale Belastungen in Höhe von 0,141 Mikrosievert pro Stunde gemessen - | |
etwa dreimal so viel wie am Samstag und Sonntag. | |
## Am Dienstag bleibt die Wetterlage für Tokio ungünstig | |
Die Werte seien nicht gesundheitsgefährdend, hieß es. Auch am Dienstag | |
bleibt die Wetterlage für Tokio ungünstig, bevor am Mittwoch Westwind | |
radioaktive Partikel auf den Pazifik weht. Auf der anderen Seite des Ozeans | |
- in Alaska, Kanada und Kalifornien - wurden bereits Spuren japanischer | |
Radioaktivität nachgewiesen. | |
Welche Auswirkungen der nukleare Unfall auf den Ozean hat, ist noch unklar. | |
"Wir wissen nicht, wie viel Radioaktivität durch Wind und Niederschlag | |
sowie durch das Meerwasser für die Notkühlung der Reaktoren ins Meer | |
gelangt", sagt Greenpeace-Atomexperte Tobias Riedl. Die radioaktiven | |
Partikel könnten dort, wenn auch verdünnt, in die Nahrungskette gelangen. | |
"Es könnte sein, dass künftig Fisch aus der Region vor dem Verzehr getestet | |
werden muss." Dies sei teilweise bei bayrischem Wildschweinfleisch, 25 | |
Jahre nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl, heute noch nötig. | |
21 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Richard Rother | |
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