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# taz.de -- Lage in Fukushima nicht unter Kontrolle: Schwarzer und grauer Qualm
> Die Helfer haben die Lage im zerstörten AKW Fukushima I nicht im Griff.
> Neuer Qualm, neuer Rückzug der Feuerwehr. Kritiker fordern schnellere
> Evakuierung.
Bild: Keine Atempause am Reaktor: Auch am 21.3. qualmt es kräftig.
BERLIN taz | Am havarierten Reaktor Fukushima I gibt es nach wie vor keine
Entwarnung. Während sich am Wochenende die Lage etwas entspannt gezeigt
hatte, wurde am Montag deutlich, wie gefährlich die Situation nach wie vor
ist: Auf dem Gelände wurde schwarzer und grauer Qualm gesichtet, die
Löschmannschaften zogen sich daraufhin am Montagnachmittag Ortszeit von
ihrer Arbeit an den Reaktoren 3 und 4 zurück. Offenbar hatte ein Brand in
Reaktor 3 zu höherer Strahlenbelastung geführt.
"Nur weil mal einen Tag lang nichts explodiert, ist die Lage nicht gleich
entspannt", sagte ein Experte. Nach wie vor ist Reaktor 3, der mit dem
Supergift Plutonium betrieben wird, nicht unter Kontrolle, nach wie vor ist
unklar, wie viel Radioaktivität die Brennelemente in den Abklingbecken an
Reaktor 3 und 4 abgeben, nach wie vor belasten Strahlen aus dem AKW die
Umgebung. Und selbst gute Nachrichten wie die gesicherte Stromversorgung
für die Reaktoren 1 und 2 sind relativ - denn bisher gibt es keine Meldung
darüber, dass mit dem Strom dort die Pumpen zur Kühlung betrieben werden
können.
Regierung und AKW-Betreiber Tepco wiesen darauf hin, dass auch nach dem
Brand keine höheren Strahlenwerte gemessen wurden. Hidehiko Nishiyama von
der japanischen Reaktorsicherheitsbehörde sagte der Nachrichtenagentur
Kyodo, es sei unwahrscheinlich, dass sich im Abklingbecken etwas
Ungewöhnliches ereignet habe. Entwarnung wollte aber die Regierung auch
nicht geben.
## Zu Entwarnung besteht kein Anlass
Dazu besteht auch nach einer grafischen Übersicht der japanischen
Atomindustrie-Vereinigung (JAIF) auch kein Anlass. In der Grafik mit Stand
Montag 16 Uhr (Ortszeit) sind die Schäden in wichtigen Bereiche immer noch
rot als "schwerwiegend" gekennzeichnet, die "sofortiges Handeln" erfordern.
So sind in den Reaktoren 1 bis 3 die Reaktorkerne und die Brennstäbe
"beschädigt", nirgendwo funktioniert die Stromversorgung für das Kühlsystem
oder die Kühlung des Kerns ohne Strom. Die Gebäude von Reaktor 1, 3 und 4
sind "durch Wasserstoffexplosionen schwer beschädigt", die Brennelemente
liegen ganz oder teilweise frei und die Abklingbecken an Block 3 und 4
liegen weiter teilweise trocken.
Der Einsatz von Ingenieuren und Feuerwehren geht in kleinen Schritten
voran: An Reaktor 2 sollten Strahlenfilter und Messgeräte wieder in Gang
gesetzt werden, doch für die Stromversorgung fehlen nach Angaben von Tepco
Ersatzteile. Die Regierung plant, den extrem stark strahlenden Müll im
Bereich der Reaktoren mit Panzern räumen zu lassen und hat Lkws
angefordert, die mit einem 50-Meter-Ausleger Wasser sprühen können.
Verlässliche Messungen über die Strahlenbelastungen etwa an den extrem
radioaktiven trockenen Brennelementen gibt es allerdings nicht. Nach
Meinung aller Experten geben gerade die Brennstäbe in den teilweise
trockenen Abklingbecken massiv Radioaktivität ab.
## Umweltorganisationen fordern, die Strahlungsintensität offenzulegen
Umweltgruppen und unabhängige Experten fordern von der Regierung
inzwischen, die Evakuierung der Bevölkerung fortzusetzen. Auch außerhalb
des 20-Kilometer-Radius sollten die Behörden die Menschen auf einen
geordneten Abzug vorbereiten und auch außerhalb der 30-Kilometer-Zone
Vorsorge für Kinder und Schwangere treffen. Das haben Greenpeace und die
Atomkritiker der japanischen Organisation CNIC gefordert. Die
Umweltorganisationen wollen vor allem wissen, wie hoch die Strahlung am
Reaktor ist, welche Belastung der Bevölkerung droht und wie viel
Radioaktivität inzwischen ins Meer gelangt ist.
Die Evakuierung müsse jetzt begonnen werden, um eine Panik zu vermeiden,
wenn die Situation in Fukushima außer Kontrolle gerate, sagt Mycle
Schneider, unabhängiger Energieexperte und Träger des Alternativen
Nobelpreises. "Bisher glauben die Menschen den Behörden noch", so
Schneider. Doch da es weder Benzin noch unzerstörte Straßen gebe, fürchtet
er, dass sich bei einem akuten Notfall im AKW die Menschen zu Fuß und
ungeordnet auf den Weg machen könnten - und im Zweifel von der
Radioaktivität aus Fukushima eingeholt würden.
21 Mar 2011
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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