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# taz.de -- Arbeiter am AKW Fukushima I: "Es gibt hier keine andere Arbeit"
> Die Arbeitsbedingungen am havarierten AKW Fukushima I in Japan sind
> desaströs: wenig Essen, kein Platz zum Schlafen und kein Kontakt zu den
> Angehörigen.
Bild: Angestellte der Firma Tepco, die an der Stromleitung zum AKW Fukushima I …
BERLIN taz | Nur langsam werden Informationen über die Arbeitsbedingungen
der Soldaten, Feuerwehrleute, Ingenieure, Techniker und Hilfsarbeiter
bekannt, die im havarierten Atomkraftwerk Fukushima Daiichi um die
Kontrolle der Reaktoren kämpfen. "Das Arbeitsumfeld ist sehr hart", sagte
Kazuma Yokata von der Atomsicherheitsbehörde Nisa am Dienstag vor
Journalisten. Er war vom 22. bis 26. März im AKW gewesen. Dort arbeiteten
rund 450 Personen von Tepco und Vertragsfirmen.
Die Einsatzkräfte schlafen in ihrer Schutzkleidung in einem
erdbebensicheren zweistöckigen Gebäude und schützten sich nachts mit
bleihaltigen Matten vor radioaktiver Strahlung. Diese betrage dort 2 bis 3
Microsievert pro Stunde. Es gebe aber nicht genügend Decken, auch reiche
der Platz nicht. Manche müssten im Hocken schlafen.
Zu Essen gebe es nur zweimal am Tag: Morgens 30 Kekse und etwas Saft,
abends Instantreis und Dosenfleisch oder -fisch. Zunächst sei auch das
Trinkwasser knapp gewesen. Die Einsatzkräfte könnten weder ihre Kleidung
wechseln noch sich waschen. Sie würden immer Atemschutzmasken tragen. Auch
könne das Gebäude wegen der Strahlung nicht gelüftet werden.
## 20-Stunden-Schichten und kein Kontakt zu Angehörigen
Yokata war selbst einer Strahlung von 883 Microsivert ausgesetzt gewesen.
"Die Arbeit geht nicht voran, weil erst das radioaktiv verseuchte Wasser im
Gebäude entsorgt werden muss", sagte er. Die Arbeiter seien sehr erschöpft.
Ihr Arbeitstag gehe von 6 bis 20 Uhr.
Nach einer Woche, während der es wegen des Ausfalls des Handy- und
Festnetzes keine Kontakte zu Angehörigen gibt, würden sie ausgetauscht. Die
ersten Tage hätten die Einsatzkräfte sogar 23 Stunden täglich gearbeitet,
so Yokata. Der Minister für Wirtschaft, Handel und Industrie, Banri Kaieda,
forderte Tepco auf, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Diese "erlauben
weder ein Minium an Schlaf noch an Nahrungsmitteln."
Laut der Zeitung Asahi Shinbun sorgen sich die Arbeiter zunehmend um ihre
Gesundheit, nachdem sich vergangene Woche drei von ihnen mit stark
radioaktivem Wasser die Füße verstrahlt hatten. Die drei mussten ins
Krankenhaus, konnten dies aber inzwischen wieder verlassen. Bisher sind
rund 20 Personen verstrahlt worden. Zuletzt kamen am Mittwoch drei Arbeiter
mit radioaktivem Wasser in Kontakt, das sie bis auf die Unterhose
durchnässte. Laut Atomsicherheitsbehörde mussten sie jedoch nicht ins
Krankhaus.
## Kaum Ersatz für verstrahlte Arbeiter
"Es gibt nur sehr wenige Arbeitskräfte mit entsprechender Erfahrung", sagte
ein Mitarbeiter des Kraftwerksbauers Hitachi. 170 Arbeitskräfte
einschließlich derer von Subunternehmen beschäftigt Hitachi in Fukushima
Daiichi. Der Vertreter einer anderen Firma berichtete Asahi, dass immer
mehr Arbeitskräfte bereits ihre maximale erlaubte Strahlendosis abbekommen
hätten. Es werde schwieriger, für sie Ersatz zu finden. "Wir können sie
nicht zum Einsatz zwingen, und das bereitet uns großes Kopfzerbrechen."
Viele der von Subunternehmen gestellten Arbeiter stammen aus der
strukturschwachen Umgebung des Atomkraftwerks. Oft verloren sie ihre Häuser
beim Beben und Tsunami oder mussten diese verlassen, weil sie in der
20-Kilometer-Evakuierungszone um das Kraftwerk liegen. Manche Evakuierte
nehmen aus materieller Not die riskante Arbeit im havarierten Atomkraftwerk
an.
So zitiert Asahi einen 30-Jährigen, der als Tagelöhner für seinen Einsatz
an den Reaktoren zwischen 10.000 und 20.000 Yen pro Tag (87 bis 174 Euro)
bekommt. Über eine Krankenversicherung oder die Kostenübernahme bei
Strahlenschäden schreibt Asahi nichts. Ein anderer evakuierter Mann sagt in
einer Notunterkunft, er warte auf einen Einsatz im Atomkraftwerk, "denn es
gibt hier keine andere Arbeit."
30 Mar 2011
## AUTOREN
Sven Hansen
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