# taz.de -- UNEP-Chef über Atomkraft nach Fukushima: "Erneuerbare haben das Po… | |
> Achim Steiner, Direktor der UN-Umweltorganisation UNEP, über | |
> Energiepolitik nach Fukushima, die Rolle der Vereinten Nationen und die | |
> nur vermeintlich billige Atomstromgewinnung. | |
Bild: Solaranlagen, am Horizont ein paar Windräder – so sieht die Zukunft au… | |
taz: Herr Steiner, wie erleben Sie das Atomunglück in Fukushima? | |
Achim Steiner: Ich glaube, wir erleben hier, wie hilflos wir Menschen | |
angesichts einer solchen Katastrophe sind und wie wir eine Technik eben | |
nicht beherrschen und bewältigen können. | |
Bedeutet diese Katastrophe das endgültige Aus für die Atomenergie? | |
Wir haben ja schon in Tschernobyl einen Super-GAU erlebt – und trotzdem gab | |
es 15, 20 Jahre nach Tschernobyl eine Renaissance der Atomkraft. Die | |
Kernenergie als eine Brückentechnologie oder als alternative Technologie im | |
Zeitalter des Klimawandels hat ja viel Unterstützung erfahren in den | |
vergangenen Jahren. Von daher sollte man nicht unterschätzen, wie schnell | |
eine Gesellschaft sich wieder dafür entscheiden kann, ein solches Risiko | |
doch wieder einzugehen. | |
Ist denn eine nachhaltige Zukunft mit Atomenergie möglich? | |
Das hängt davon ab, wie man "Nachhaltigkeit" definiert. Wenn man sie so | |
definiert, dass alle zehn bis fünfzehn Jahre ein Reaktorunfall dazugehört, | |
dann ja. Ich glaube aber, in dem anstehenden gesellschaftlichen Diskurs | |
wird diese Option so nicht akzeptiert werden. | |
Die Betreiber von Kernkraftanlagen werben ja vor allem damit, billige | |
Energie herzustellen. Stimmt das? | |
Mit all den Steuern und Forschungssubventionen über 40, 50 Jahre kann | |
natürlich heute ein Reaktorbetreiber oder ein Unternehmen, das | |
Kernkraftwerke baut, eine betriebswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung | |
machen, die aber die historischen Kosten nicht einbezieht. Wenn wir heute | |
dabei sind, ein Lager wie Asse mit 4 bis 5 Milliarden Euro sanieren zu | |
müssen, nur um den radioaktiven Abfall unterzubringen, weil die sogenannte | |
Zwischenlagerung nicht funktioniert hat, dann gehört das meines Erachtens | |
alles mit in eine volkswirtschaftliche Berechnung. | |
Was können die UN und UNEP im Besonderen denn jetzt in Fukushima tun? | |
Die UN sind immer dann am effektivsten, wenn sie ihre Unabhängigkeit und | |
Neutralität einbringen können. Im Fall Fukushima ist das nach Tschernobyl | |
eingerichtete wissenschaftliche Komitee zur Bewertung der Konsequenzen von | |
atomaren Unfällen und Strahlung ein Beispiel dafür, wie wir Wissenschaftler | |
zusammenbringen werden, die unabhängig von nationalen oder | |
unternehmerischen Interessen die Konsequenzen wissenschaftlich bewerten. | |
Zum zweiten werden die UN nicht zuletzt über die Internationale | |
Atomenergieagentur (IAEO) in Wien aber auch eine Diskussion zur | |
Risikobewertung führen müssen und über die Protokolle, wie man mit solch | |
einer Situation umgeht. Ich glaube, was im Augenblick für viele am | |
schwersten zu verstehen ist, ist, warum es so schwierig ist, präzise | |
Informationen zu bekommen. | |
Das Herbeireden einer Renaissance der Atomkraft muss man doch auch der IAEO | |
ankreiden, die massiv für die Atomkraft etwa in Entwicklungsländern wirbt. | |
Ist eine solche UN-Organisation überhaupt noch zeitgemäß? | |
Ich glaube, wir sollten in keiner Form hinterfragen, dass es eine | |
Internationale Atombehörde gibt. Aber es ist in der öffentlichen Diskussion | |
auch gerechtfertigt, zu fragen, ob die Kräfte, die in dieser Behörde | |
zusammenkommen, so zusammengestellt sind, dass sie wirklich die | |
objektivsten Ergebnisse bereitstellen können. | |
Wären erneuerbare Energien heute in der Lage, den Atomstrom zu ersetzen? | |
Ich glaube, wir haben eine Vielzahl von Analysen und Berichten, die | |
verdeutlichen, dass das Potenzial erwiesenermaßen da ist. Wenn wir heute | |
die Beträge, die wir weltweit für den Komplex Kernenergie aufbringen, in | |
eine beschleunigte Weiterentwicklung der Technologien und dazu noch in die | |
Energieeffizienz investieren würden, dann würde es jedem schwerfallen, zu | |
behaupten, wir könnten es nicht ohne Kernenergie schaffen. | |
31 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Marc Engelhardt | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
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