# taz.de -- Kommentar Produkte aus Japan: Geigerzähler im Einkaufskorb | |
> Japan droht nach den Katastrophen Erdbeben, Tsunami und GAU ein weiteres | |
> Unheil: Niemand will mehr japanische Produkte kaufen, es droht der | |
> wirtschaftliche Absturz. | |
Bild: 18 Prozent höher war die Zahl der Jungen, die ein Jahr nach Tschernobyl … | |
Schon an Tag eins der Katastrophe wurde hartnäckig nachgebohrt, ob der | |
Atom-GAU von Fukushima nicht auch uns gefährden könne. Von beruhigenden | |
Statements ließ man sich kaum beruhigen. Am zweiten Tag begannen die | |
Hamsterkäufe von Grüntee aus Japan. Inzwischen sind die Restbestände der | |
alten Ernte in einigen Fachgeschäften fast ausverkauft. Die Prognose, was | |
mit der neuen Ernte passiert, fällt nicht schwer: Sie wird wie Blei im | |
Regal liegen. | |
So groß die Solidarität mit Japan sein mag - beim eigenen Einkaufskorb hört | |
sie auf. Gnadenlos konsequent bereiten sich Lebensmittelhändler und | |
Importeure darauf vor, japanische Waren auszusortieren. Schon in den Häfen | |
sollen die Frachter aufgehalten werden. So hartleibig die Menschen über | |
Jahrzehnte die nuklearen Zeitbomben der AKWs ignoriert haben, so panisch | |
reagieren sie jetzt auf alles Japanische. Die Magenwächter von Foodwatch | |
fordern sogar einen kompletten Importstopp, um das "Vertrauen der Bürger zu | |
gewinnen". Radioaktivität kennt kein Erbarmen. | |
Keine Frage: Auf Japan kommt zusätzlich zur Katastrophentrias Erdbeben, | |
Tsunami, Super-GAU als viertes Unheil der wirtschaftliche Sturz und eine | |
"radioaktive Diskriminierung" zu. Egal, wie hoch die Belastung von Fischen, | |
Tee und anderen Lebensmitteln tatsächlich sein wird - niemand wird sie | |
kaufen. | |
In Thailand hat man schon tonnenweise japanische Süßkartoffeln | |
vorsichtshalber "vernichtet", obwohl die gemessene Radioaktivität dafür | |
keinerlei Rechtfertigung bot. In Südkorea laufen Kontrolleure mit | |
Geigerzählern über den Fischmarkt, bei deutschen Händlern meiden die Käufer | |
alles Getier, bei dem "Pazifik" als Fanggebiet vermerkt ist. Und die EU | |
schürt das Misstrauen, indem sie die Grenzwerte für Lebensmittel anhebt - | |
ein Relikt der Tschernobyl-Zeit. An der Börse haussieren VW, BMW und Co., | |
weil Toyota nicht produziert. Börsianer sehen "gute Chancen", die | |
japanische Lücke mit deutscher Wertarbeit zu schließen. | |
Widerlich? Nein, so funktioniert globale Wirtschaft. | |
31 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Manfred Kriener | |
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