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# taz.de -- Atomkatastrophe in Japan: Arbeiten ohne Strahlenmesser
> Tepco schlampt weiter: Die Messwerte vom Grundwasser in und um das AKW
> Fukushima waren teilweise fehlerhaft. Und die Arbeiter waren teilweise
> ohne Dosimeter im Einsatz.
Bild: Arbeiter in weißen Schutzanzügen sind im Reaktor 2 von Fukushima I im E…
TOKIO taz/dpa | Rund die Hälfte der Arbeiter im AKW Fukushima I war
zeitweise ohne Strahlenmesser im Einsatz. Der Kraftwerksbetreiber Tepco
hätte damit gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen. Im
öffentlich-rechtlichen Fernsehsender NHK berichtete ein namentlich nicht
genannter Tepco-Arbeiter, der die Stromversorgung in Fukushima
wiederherstellen soll, er wisse deswegen nicht, welche Strahlendosis er
schon erhalten hat.
Tepco bestätigte die Praxis gegenüber NHK. Viele Dosimeter seien durch das
Erdbeben zerstört worden, deswegen würden in einigen Gruppen nur die
Teamführer ein Dosimeter tragen. An einem Tag hätten 180 Arbeiter ohne
Dosimeter gearbeitet. Da die Gruppen jedoch nicht immer eng zusammenbleiben
und die Radioaktivität je nach Ort stark variiert, ist die Strahlendosis
für den einzelnen Arbeiter schwer einzuschätzen.
Gesetzliche Vorschriften verlangen, dass jeder Arbeiter ein eigenes
Dosimeter hat, wenn er in einer Umgebung mit radioaktiver Strahlung
arbeitet. Zunächst rechtfertigte Tepco sich mit dem Argument, dass diese
Arbeiter nur Aufgaben erledigen, die sie wenig Strahlung aussetzen. Am
Freitag erklärte das Unternehmen jedoch, es werde nun auch solche Arbeiten
solange verschieben, bis alle Arbeiter ein Dosimeter hätten.
Von 5.000 Dosimetern seien nach dem Erdbeben nur noch 320 verfügbar. Nun
sollen Dosimeter von anderen Kernkraftwerken nach Fukushima gebracht
werden, damit jeder Arbeit einen Strahlenmesser tragen kann.
## Kunstharz soll wieder zum Einsatz kommen
Das Gesundheitsministerium sagte inzwischen, es werde die Beachtung der
Sicherheitsvorschriften durch Tepco untersuchen.
Bei der Strahlen-Messung im Atomkraftwerk Fukushima hat der Betreiber Tepco
ebenfalls geschlampt. Die Messwerte vom Grundwasser in und um das
Atomkraftwerk seien teilweise fehlerhaft, teilte die japanische
Atomaufsichtsbehörde am Freitag mit. Das Grundwasser sei jedoch sehr
wahrscheinlich dennoch verstrahlt. Am Vortag hatte es geheißen, dass im
Wasser unter dem Atomwrack ein 10.000-fach erhöhter Wert von radioaktivem
Jod gemessen wurde. Wie hoch die Belastung wirklich ist, wurde nicht
bekannt.
Tepco hatte bereits vorher fehlerhaft gemessen. Seit dem Erdbeben und
Atomunfall vor drei Wochen steht der Konzern wegen seiner
Informationspolitik in der Kritik. Regierungssprecher Yukio Edano schloss
am Freitag nach Angaben der Nachrichtenagentur Kyodo eine Beteiligung des
Staates an Tepco nicht aus.
An der Ruine Fukushima I kämpfen die Arbeiter weiter gegen den Super-GAU.
Am Freitag sollten sie erneut versuchen, Harz auf die verstrahlten Trümmer
zu sprühen. Das Vorhaben musste am Vortag unterbrochen werden, weil es
regnete. Der Kunstharz soll verhindern, dass sich der radioaktive Staub
verbreitet.
Der japanische Regierungschef Naoto kündigte derweil den ersten Besuch in
der Krisenregion seit dem verheerenden Erdbeben am 11. März an. Er werde am
Samstag in die erdbebenzerstörte Stadt Rikuzentakata und in die Präfektur
Fukushima reisen, in der auch das havarierte Atomkraftwerk steht,
berichtete Kyodo. Zu der Ruine selbst wird er aber vermutlich nicht reisen.
Am Donnerstag kam es an dem AKW zu einem bizarren Vorfall: Ein Mann
versuchte, in die Anlage Fukushima I einzudringen. Weil er dort aber nach
Angaben des Betreibers von Mitarbeitern abgehalten wurde, fuhr er zur
Anlage Fukushima II, durchbrach dort mit seinem Auto ein Tor und kurvte
zehn Minuten auf dem Gelände herum, berichtete Kyodo. Niemand wurde
verletzt, der 25-jährige Arbeitslose wurde festgenommen. Als Grund für die
Irrfahrt gab er laut Polizei an: "Ich wollte mal auffallen."
## Westerwelle nach Japan
Die Atomaufsichtsbehörde forderte Tepco mit Blick auf die Lagerung
radioaktiver Materialien auf, für eine bessere Bewachung der Anlage zu
sorgen. Fukushima II liegt etwa zwölf Kilometer vom AKW Fukushima I
entfernt und gilt im Gegensatz zu diesem als stabil.
Die japanische Regierung lehnt es bisher ab, die Evakuierungszone zu
erweitern. Diese gilt im Umkreis von 20 Kilometern um das AKW. Die
Internationale Atomenergiebehörde IAEA hatte Japan aber zur Evakuierung
eines Ortes geraten, der etwa 40 Kilometer von dem AKW entfernt liegt.
Am Samstag wird Außenminister Guido Westerwelle (FDP) Japan besuchen. Mit
dem Abstecher nach Tokio wolle er Deutschlands Solidarität mit dem schwer
getroffenen japanischen Volk zum Ausdruck bringen. Nach dem Erdbeben und
Tsunami wurden bisher offiziell knapp 11.600 Tote gezählt. Es werden aber
noch etwa 16 500 Menschen vermisst, weshalb die Behörden von weit mehr
Toten ausgehen. Viele Überlebende der Katastrophe harren noch in Notlagern
aus.
1 Apr 2011
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Schwerpunkt Atomkraft
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