# taz.de -- Atomausstieg und die Folgen: Kabel statt Atomkraftwerk | |
> Über zwei Seekabel soll Strom zwischen Norwegen und Norddeutschland | |
> gehandelt werden. Die Pläne für das Kabel nach Niedersachsen stehen, | |
> jetzt beginnt auch das Projekt Nordlink für Schleswig-Holstein. | |
Bild: Dickes Ding: Über ein solches Kabel soll in Zukunft Strom zwischen Norwe… | |
KIEL taz | Die Revolution, der Durchbruch oder mindestens doch ein | |
entscheidender Schritt in Richtung Energiewende: Wenn grüne Politiker über | |
Seekabel nach Norwegen reden, greifen sie zu den ganz großen Vokabeln. Als | |
Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Jost de Jager (CDU) am Mittwoch in | |
Kiel das Seekabel Projekt Nordlink zwischen seinem Bundesland und Norwegen | |
vorstellte, blieb er jedoch sehr nüchtern. Der Norwegische Netzbetreiber | |
Statnett will ein Kabel vom Süden Norwegens nach Büsum bauen - ein | |
deutscher Partner wird noch gesucht. Im Zweifel wollen die Unternehmer das | |
Projekt aber alleine stemmen. | |
Über die 1.400 Megawatt-Leitung soll Strom zwischen Norwegen und | |
Deutschland gehandelt werden. Die Märkte sind bisher getrennt, über das | |
Kabel wird Leistung dort gekauft, wo sie im Moment billiger ist. Spätestens | |
Anfang 2017 soll das Kabel liegen. Wenn in Norddeutschland sehr viel Wind | |
weht, gibt es kurzzeitig massiven Stromüberschuss in Deutschland, manchmal | |
müssen deshalb sogar Windparks vom Netz genommen werden. Der Preis für den | |
Strom ist dann entsprechend niedrig. Bei Nachfragespitzen oder einer | |
Windflaute ist der Strom hier teuer. Der aus den Wasserkraftwerken in | |
Norwegen hat einen recht stabilen niedrigen Preis, wenn es genug Regen und | |
Schnee gibt. | |
Ein ähnliches Projekt gibt es in Niedersachsen, dort sind die Planungen | |
konkreter: Die Landesvertretung Oldenburg hat in dieser Woche das | |
Raumordnungsverfahren für das Stromkabel Norger abgeschlossen, ebenfalls | |
1.400 Megawatt stark. Bis Butjadigen soll das Kabel unter der Nordsee, von | |
Butjadigen durch Stadland bis nach Moorriem in der Wesermarsch unter der | |
Erde verlegt werden. Das Betreiber-Konsortium aus norwegischen und | |
schweizerischen Unternehmen rechnet ab Ende 2012 mit einer Genehmigung für | |
den Bau, 2016 soll Norger fertig sein. | |
Doch es gibt Gegner des Projekts: Um den Ort Moorriem formiert sich | |
Protest. Er liegt im Korridor, der beim Raumordnungsverfahren als Standort | |
für eine Konverterstation und ein Umspannwerk festgelegt wurde. Eine | |
Bürgerinitiative fordert, stattdessen das AKW Unterweser als Umspannwerk zu | |
nutzen. | |
Derzeit ist das AKW wegen des Atommoratoriums abgeschaltet. Würde | |
Unterweser danach endgültig stillgelegt, könnten die vorhandenen | |
technischen Anlagen für Norger genutzt werden. Ressourcen- und | |
umweltschonend, argumentiert die Bürgerintitiative: Norger liefert 1.400 | |
Megawatt Ökostrom, Unterweser nur rund 1.300 Megawatt Atomstrom. | |
Unterstützung bekommt die Initiative nicht nur von Niedersachsens Grünen. | |
Auch CDU-Fraktionschef Björn Thümler spricht sich für Unterweser als | |
Konverterstation aus - "unabhängig vom Ausgang des Moratoriums". Seinem | |
Wahlkreis Wesermarsch, meint Thümler, könnten durch die Nutzung des AKW als | |
Umspannwerk "umfangreiche Eingriffe in Land und Natur" wie der Bau | |
zusätzlicher Freileitungen rund um Moorriem erspart bleiben. | |
Und auch für die Betreiber wäre Unterweser "die eleganteste Lösung", wie | |
Norger-Sprecher Matthias Hochstätter sagt: "Das Netz ist dort vorhanden". | |
Schon 2008 hatte das Norger-Konsortium Unterweser als Standort für das | |
Umspannwerk beim zuständigen Netzbetreiber Tennet beantragt. Das sei aber | |
als ungeeignet abgelehnt worden, erklärt Norger-Projektleiter Jens | |
Harenberg. Dabei wurde jedoch von einem laufenden Kraftwerk ausgegangen. | |
Sollte Unterweser in den kommenden Monaten stillgelegt werden, wolle man | |
den Standort erneut prüfen lassen. "Vorher brauchen wir aber | |
Rechtssicherheit", sagt Harenberg. | |
Die Planer von Nordlink kennen die Probleme beim älteren Schwesterprojekt | |
Norger, Statnett ist auch daran beteiligt. Der Strom aus dem Nordlink-Kabel | |
soll in Brunsbüttel ins deutsche Netz eingespeist werden, von Büsum nach | |
dort läuft die Leitung als Erdkabel. Der Konverter soll in einem | |
Industriegebiet stehen, wo genau wird noch geplant. Vielleicht ist bis 2017 | |
auch dort bei einem Kraftwerk Platz. Das AKW Brunsbüttel fällt auch unter | |
das Moratorium. Die Grünen in Schleswig-Holstein sind jedenfalls begeistert | |
von dem Projekt. Ihr Kommentar: "Na also: Geht doch!" | |
30 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
T. Havlicek | |
D. Kummetz | |
## TAGS | |
Erneuerbare Energien | |
Atomkraftwerk | |
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