# taz.de -- Atomkraftwerke in Skandinavien: Norwegen „vergisst“ zwei Reakto… | |
> Oslo bereitet sich auf den Atomausstieg vor. Nun wurden zwei | |
> Kernreaktoren entdeckt, die angeblich vor 50 Jahren demontiert wurden. | |
Bild: Norwegens Atomausstieg ist beschlossen – wo der Müll hin soll ist unkl… | |
Stockholm taz | „Ehrlich gesagt weiß ich auch nicht, wie man die übersehen | |
konnte“, versuchte Nils Morten Huseby, Direktor des norwegischen Instituts | |
für Energietechnik (IFE), die Geschichte in der vergangenen Woche im | |
norwegischen Rundfunk NRK zu erklären: „Denn die Dinger sind ja schon recht | |
groß.“ Die „Dinger“ heißen „Nora“ und „Jeep 1“ und sind zwei At… | |
Irgendwie habe man die nicht mehr auf dem Schirm gehabt, sagte Huseby. | |
Norwegen ist weder Atomwaffenmacht noch wird hier Atomstrom produziert. | |
Allerdings verhalf das Land mit seinem „schweren Wasser“ nicht nur Israel | |
dazu, Atommacht zu werden, nachdem die USA solche Lieferungen abgelehnt | |
hatten: Und um die Pläne zum Bau norwegischer Atomkraftwerke wurde es erst | |
nach dem Beinahe-GAU von Harrisburg 1979 still. | |
Die Regierung meinte dennoch, das Land müsse Atomreaktoren haben. Offiziell | |
zu Forschungszwecken. Jeep-1, Skandinaviens erster Atomreaktor, wurde 1951 | |
in Kjeller bei Oslo in Betrieb genommen. Nora 1961 am gleichen Ort. Beide | |
wurden 1967 stillgelegt. Und dann vergessen? | |
Nein, meldete sich die IFE-Pressestelle am Freitag. Die [1][Medien würden | |
„ein verzerrtes Bild“ zeichnen]: Es sei natürlich nicht so, dass dem | |
Institut die Existenz der „historischen Reaktoren“ Jeep 1 und Nora | |
unbekannt sei. In den Unterlagen von Institut und Regierung seien diese | |
Reaktoren allerdings als „dekommissioniert“ geführt worden. | |
## Kostenkalkulation führt zur Entdeckung | |
Darunter versteht man den Rückbau einer atomaren Anlage. In einem 1989 | |
publiziertem Atomsicherheitsbericht heißt es folglich auch, die beiden | |
Reaktoren seien „demontiert“ worden. Waren sie aber nicht. Was man jetzt | |
hinter meterdicken Schutzwänden vorfand, sind laut Huseby „der | |
Reaktorblock, der Reaktortank mit allem, was dazugehört, eigentlich die | |
gesamte Anlage“. | |
Auch wenn es das IFE nun anders darzustellen versucht, war das | |
offensichtlich auch für das Institut eine überraschende Erkenntnis. 2016 | |
hatte die Regierung in Oslo nämlich einen Rapport über den „künftigen | |
Rückbau der nuklearen Anlagen in Norwegen“ veröffentlicht. Hier wird | |
durchweg nur mit dem Rückbau von zwei Reaktoren kalkuliert: Jeep II in | |
Kjeller und dem Siedewasserreaktor in Halden. Nora und Jeep 1 werden nur | |
einmal nebenbei als „schon früher dekommissioniert“ erwähnt. Worauf das | |
Institut nicht reagierte. Obwohl gerade die Beseitigung dieser | |
„historischen Reaktoren“ bis 2041 die bisherigen Kostenberechnungen auch | |
nach Einschätzung des Instituts deutlich in die Höhe treiben wird. | |
Der Dornröschenschlaf von Nora und Jeep 1 hätte vermutlich noch Jahre | |
gedauert. Aber Oslo bereitet sich gerade auf das [2][Ende des norwegischen | |
Atomzeitalters] vor – und wollte die Kosten dafür wissen. Der seit 1967 | |
betriebene 2-Megawatt-Forschungsreaktor Jeep II sollte eigentlich schon | |
2016 den Betrieb einstellen, erhielt aber 2018 nochmals eine | |
Betriebserlaubnis bis 2028. Der 1958 in Betrieb genommene | |
20-Megawatt-Reaktor in Halden wurde als Europas ältester Meiler nach einer | |
Reihe von Pannen 2018 endgültig abgestellt. Die Reparaturen waren zu teuer | |
geworden. Übrigens: Wo Norwegens Atommüll einmal gelagert werden soll, | |
steht noch in den Sternen. „Vergessen“ ist, wie jetzt erwiesen, keine | |
dauerhafte Lösung. | |
3 Mar 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.ife.no/en/ife/ife_news/2019/medieomtale-om-funn-av-gamle-reakto… | |
[2] /Atomausstieg-und-die-Folgen/!5123694 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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