# taz.de -- Flattr-Mitgründer über Bezahlmodelle: "Wir sind eine vegetarische… | |
> Peter Sunde ist Mitgründer des Micro-Bezahlsystems Flattr. Mit der "taz" | |
> spricht er über unabhäniggen Journalismus, das Ende der Demokratie und | |
> Katzenvideos. | |
Bild: Peter Sunde: "Man muss den Leser nicht nur unterhalten, sondern auch erzi… | |
taz: Sagt eine Flattr-Klickzahl etwas über den Wert einer journalistischer | |
Arbeit aus? Auf taz.de bekamen ein emotionaler [1][Kommentar über die | |
Atomlobby] und ein [2][investigatives Stück über Schleichwerbung bei | |
Zeitungen], dessen Produktionsaufwand um einiges höher ist, beide etwa 150 | |
Flattr-Klicks. Ist das gerecht? | |
Peter Sunde: Man kann die beiden Artikel nicht vergleichen. Der Leser des | |
Kommentars hat den investigativen Artikel vielleicht gar nicht gelesen. Die | |
wirklichen Leser sind ja nicht die gleichen. Aber sie besitzen für den | |
jeweiligen Nutzer einen Wert. Aber ein Katzen-Video, dass ich in zwei | |
Minuten aufgenommen und auf YouTube hochgeladen habe, lässt sich natürlich | |
nicht mit einem Kunstfilm zu vergleichen, an dem ein Jahr gearbeitet wurde. | |
Wir müssen lernen, dass wir keine Preisschilder an einen Inhalt heften | |
können. Man muss den Leser nicht nur unterhalten, sondern auch erziehen. | |
Man muss ihm die Chance geben, selbst zu entscheiden, wofür und wieviel sie | |
bezahlen wollen. | |
Besteht nicht die Gefahr, dass Journalismus dadurch sehr einseitig wird und | |
nur noch Inhalt produziert wird, der gefällig ist? | |
Jeder Mensch braucht Abwechlsung. Auch wenn man im großen Konsens mit der | |
Gruppe übereinstimmst, dass das ein wirklich süßes Katzenvideo ist, so wird | |
man sich nach wie vor auch für Anderes und Nischenthemen interessieren. | |
Wenn eine Zeitung den Mix nicht anbietet, wird man natürlich Leser | |
verlieren und hat nur noch die Katzenliebhaber. | |
Wie sollte man mit den Flattr-Einnahmen umgehen? Sollte der beliebte Autor | |
alles bekommen? | |
Nein. Wie in jeder Firma, gibt es Produkte, die keine großen | |
Herstellungskosten haben und viel Geld reinbringen. Dann sollte man aber | |
dieses Geld nehmen und damit ein anderes Projekt finanzieren, das auch | |
einen Wert für die Gesellschaft hat. | |
Entsteht durch Flattr eine weitere Möglichkeit für unabhängigen | |
Journalismus? | |
Es gibt und gab nie unabhängigen Journalismus. Man muss immer sehen, wie | |
man sein Essen bezahlt. Aber es geht darum, mehr oder weniger abhängig | |
sein. Flattr ist ungerecht und gerecht zur gleichen Zeit, weil es einem | |
Individum die selbe Macht gibt wie einem Unternehmen. Tim Pritlove als | |
einzelner Blogger verdient durch Flattr wahrscheinlich mehr als die ganze | |
taz.de-Redaktion. Das ist ungerecht. | |
In der Diskussion "Zahlen bitte" geht es um Bezahlsysteme. Welches eignet | |
sich am Besten für Onlinejournalismus? | |
Man kann nicht sagen, dieser Weg ist besser als ein anderer. Das hängst | |
ganz davon ab, wer man ist und wer die Leser sind. Flattr-Nutzer halten | |
Flattr für das optimalste und Paypal-Fans finden Paypal besser, also sollte | |
man möglichst viele Möglichkeiten anbieten. So viele Wege es gibt | |
Journalismus zu vermitteln, so viele Bezahlsysteme sollte man nutzen. | |
Eigentlich ist es egal, ob man Inhalt online oder offline nutzt, wenn es | |
einen Wert für dich besitzt und du mehr davon willst, ist es ganz | |
natürlich, daas man das Projekt finanziell unterstützt. | |
Worin liegt der Vorteil von Flattr? | |
Über Flattr kann man sowohl schon Produziertes bezahlen und genauso nächste | |
Projekte vorfinanzieren. Wir sind von alten Vorstellungen geprägt. Warum | |
muss ich überhaupt für einen Artikel bezahlen? Warum werde nicht ich dafür | |
bezahlt, einen Artikel zu lesen? Der Journalist verschwendet doch meine | |
Zeit! Angenommen ein Journalist schreibt zwei Stunden an einem Artikel und | |
ich brauche fünf Minuten, um den Text zu lesen, dann sind das bei 1.000 | |
Lesern über 80 Stunden. Wir sollten anfagen, unsere Grundüberzeugungen in | |
Frage zu stellen. | |
Lässt sich Flattr bezeichnen als einen Weg aus dem Kapitalismus hinein in | |
eine gerechtere Welt? | |
Ja, wir bezeichnen uns als ein sozialistisches Unternehmen. Jeder von uns | |
bekommt das gleiche Gehalt. Wir sind ein vegetarisches Unternehmen, es wird | |
kein Geld wird für Fleisch oder Lederprodukte ausgegeben. Wir glauben, dass | |
wir eine soziale Verantwortung haben. Aber nicht jeder bei Flattr ist ein | |
Sozialist ist – noch nicht. Nein im Ernst, ich will die Macht von den | |
großen kaptialistischen Firmen nehmen, die den Markt kontrollieren. Flattr | |
ist demokratisch und gibt allen Menschen, die ja gleich wertvoll sind, die | |
Möglichkeit zu sagen, was ihnen gefällt und was nicht. Man könnte uns | |
natürlich vorwerfen, dass wir ein mit einem kapitalistisches Werkzeug – | |
nämlich Geld – arbeiten. Wir sind politisch, aber links. | |
Können Sie sich vorstellen, selbst Politiker zu werden? | |
Nein. Nein, nein, nein. Ich möchte keine Verantwortung tragen. Ich schaffe | |
es nicht einmal, alle E-Mails zu beantworten. Ich kann gut kritisieren, | |
meine Ideen in die Welt bringen, Fragen stellen. Zumindest Fragen, die das | |
Internet betreffen. Ich bin der Junge mit dem Internet-Hintergrund, dem man | |
zuhört. Bei den anderen Dingen, die mich wirklich interessieren, habe ich | |
keine Antworten. Und als Poliker sollte man die Antworten haben. | |
Wie kann man dann etwas verändern? | |
Ich bin für Aktivismus und zivilen Ungehorsam auch wenn er in Grauzonen | |
passiert. Mein Bruder wurde in den 90ern verurteilt, weil er Pflanzensamen | |
auf die Landebahn von Militärflughäfen gepflanzt hat. Er saß zwei Jahre im | |
Gefängnis dafür, was natürlich verrückt ist. Man könnte sagen, dass das | |
Aktivismus undemokratisch ist, aber ich finde das ok, wenn man wirklich an | |
das glaubt, was man tut. Ich glaube auch nicht an Demokratie, aber das ist | |
eine andere Geschichte. | |
Was ist falsch an der Demokratie? | |
Den amerikanischen Präsidenten beispielsweise wählen bloß einige hundert | |
Millionen Menschen, aber sein Handeln hat Konsequenzen für fast alle | |
Menschen in der Welt. Aber ich habe noch keine bessere Lösung. Demokratie | |
ist sozusagen das am wenigsten schlechte System, das mit den wenigsten | |
Fehlern. Was wir brauchen, sind noch mehr Menschen, die aktiv werden. | |
Andereseits zeigt eine hohe Anzahl an Aktivisten natürlich auch, dass da | |
viele Probleme sind. | |
10 Apr 2011 | |
## LINKS | |
[1] /1/debatte/kommentar/artikel/1/die-dreckschweine-von-der-atomlobby/ | |
[2] /1/leben/medien/artikel/1/einfluss-zu-verkaufen/ | |
## AUTOREN | |
Elisa Heuser | |
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