Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Trend Fleischloses Essen: Voll-Öko heißt jetzt Veggie
> Fleischloses und veganes Essen wird vor allem von jungen Leuten
> geschätzt. Der Markt passt sich an – und ein paar Lebensmittelskandale
> gibt es auch schon.
Bild: Geht immer, auch für vegetarisch-vegan Essende: Mais.
DORTMUND taz | Verkehrte Welt: Die Dortmunder Innenstadt ist brechend voll,
doch kaum ein Kunde besucht Stachi's City Grill. Gegen den geballten
Auflauf der Veganer kommt die Wurstschmiede nicht an. Der Veggie Street
Day, das Oktoberfest der Fleischlosen in Deutschland, lockt mit
"Veggie-Schnitzel", "Veggie-Burger" und "Veggie-Wurst". Die Schlange der
Kunden will kein Ende nehmen. Laut Veranstaltern waren noch nie so viele
Besucher auf dem Straßenfest. Insgesamt sollen es 9.000 sein.
Silke Bott vom Vegetarierbund Deutschland (Vebu) bedankt sich bei der
Fleischindustrie: "Deren Skandale bringen uns neue Mitglieder." Allein seit
Anfang dieses Jahres sei die Zahl der Vebu-Mitglieder um 30 Prozent auf
rund 4.000 gestiegen.
Und das Potenzial ist noch bedeutend größer: 6 Millionen Vegetarier zählt
der Vebu in Deutschland derzeit, 600.000 davon sind Veganer. Tendenz:
steigend. Teilzeitvegetarier gibt es einer aktuellen Forsa-Umfrage zufolge
bereits 42 Millionen.
## Tunnelohrringe, Piercings und Dreadlocks
Die Idee eines Volksfests passt da ganz gut – auch wenn die Gäste nicht dem
Schunkelschema entsprechen. Sie tragen schwarze Shirts, gern auch
Tunnelohrringe, Piercings und Dreadlocks. "Vegan zu leben ist vor allem bei
kritischen jungen Menschen trendy", sagt Vebu-Geschäftsführer Sebastian
Zösch. Die ältere Generation steht in der Szene eher für Klimawandel und
Massentierhaltung.
Und die Jungen wollen die Alten überzeugen. Deshalb sieht die vegane Wurst
nicht nur so ähnlich aus wie die echte, sie ist ihr auch im Geschmack immer
ähnlicher geworden. "Vielen Menschen macht das den Umstieg leichter", sagt
die junge Verkäuferin vom Stand "Vegan Wonderland".
Der Markt hat längst reagiert. Vor Kurzem hat der erste vegane Supermarkt
in Dortmund eröffnet. Auch in Berlin bietet seit Juli der Laden "Veganz"
alles an, was ohne ist: ohne Tierversuche, ohne Ei, ohne Laktose und –
selbstredend – ohne Fleisch. Allein in der Hauptstadt haben laut Vebu in
den vergangenen drei Jahren sieben vegane Restaurants eröffnet. Auch
jenseits der Nischenläden wird das vegetarische und vegane Sortiment
größer. Die Preise sinken.
## Lebensmittelskandale
Und die Qualität? Auch wenn die Überzeugten nicht gern darüber reden: Die
Veganerszene hat ihre Lebensmittelskandale. Anfang des Jahres
veröffentlichte Ökotest Ergebnisse entsprechender Analysen von veganem
Fastfood. Die Funde: Weichmacher in zwei Biogerichten, in einem davon auch
Pestizide, außerdem in drei Fleischimitaten Gensoja. Vebu-Geschäftsführer
Zösch winkt ab: "Nach wie vor ist das Risiko für Lebensmittelskandale beim
Fleisch viel höher."
Und so zeigen sich die Veganer selbstbewusst. Auf der Bühne hieven
Kraftsportler vom "Vegan Strength Team" 190 Kilo. Zwei szenebekannte Rapper
fordern mehr Tierrechte: "One love, one struggle, one fight." Die früher
als "Spaßbremsen" und "Voll-Ökos" Geschmähten fühlen sich heute obenauf.
Im Februar veranstaltete der Vegetarierbund zum ersten Mal die Messe
"Veggie World" für "vegetarischen Lifestyle" in Wiesbaden. Dort stellte
auch die Firma Valess aus, die zum Milchkonzern Friesland Campina gehört
und Fleischalternativen auf Basis von Milch herstellt. Die Teilnahme
provozierte Protest der Veganen Gesellschaft Deutschland, die Friesland
Campina Massentierhaltung vorwirft. Im Herbst will der Verein daher eine
eigene Messe mit dem Titel "Vegan Fach" veranstalten.
Auf dem Veggie Street Day ist vom internen Streit nichts zu merken.
Harmonie geht an diesem Tag vor. Und sogar der Wirt von Stachi's City Grill
lächelt milde. Für heute überlässt er den Veganern das Feld.
15 Aug 2011
## AUTOREN
Moritz Schröder
## TAGS
Landwirtschaft
Veggie Day
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kongress gegen Agrarindustrie: Zoff zwischen Biobauern und Veganern
Beim „Wir haben es satt“-Kongress werden tiefe Gräben in der alternativen
Agrarbewegung deutlich. Es geht um die Frage: Dürfen Landwirte Tiere
halten?
Der sonntaz-Streit: „Fleisch muss Luxus sein“
Der Veggie Day ist eine gesundheitspolitische Notwendigkeit, findet
Moderatorin Sonya Kraus. Rainer Brüderle findet den Vorschlag lachhaft.
Subventionen für Massentierhaltung: Fleischproduzenten mit Appetit
Mehr als eine Milliarde Euro an Subventionen fließen jedes Jahr in die
Massenhaltung von Geflügel und Schweinen. Die Vergabe der Mittel sei aber
unklar, so der BUND.
Erster Vegan-Supermarkt mit Vollsortiment: "Wir sind überrannt worden"
Im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg eröffnete Europas erster Supermarkt
mit ausschließlich pflanzlichen Produkten. Betreiber Bredack sagt: Bisher
kamen fünfmal so viele Käufer wie kalkuliert.
Vegetarierbund-Frau über Ehec: "Schuld ist wieder der Fleischkonsum"
Das Problem der Ehec-Bakterien rührt aus der Tierhaltung für die
Fleischindustrie, sagt Veganerin Silke Bott. Sie rät, weiter Obst und
Gemüse zu essen, nachdem man es gründlich gewaschen hat.
Tim Mälzers "Deutschland isst...": Lecker Fleisch fürs Volk
Heute und an den kommenden zwei Montagen wird Tim Mälzer durch die deutsche
Pampa heizen. Er will in Peter-Lustig-Manier Wertvolles in Sachen Ernährung
lehren.
Flattr-Mitgründer über Bezahlmodelle: "Wir sind eine vegetarische Firma"
Peter Sunde ist Mitgründer des Micro-Bezahlsystems Flattr. Mit der "taz"
spricht er über unabhäniggen Journalismus, das Ende der Demokratie und
Katzenvideos.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.