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# taz.de -- Tim Mälzers "Deutschland isst...": Lecker Fleisch fürs Volk
> Heute und an den kommenden zwei Montagen wird Tim Mälzer durch die
> deutsche Pampa heizen. Er will in Peter-Lustig-Manier Wertvolles in
> Sachen Ernährung lehren.
Bild: Glückliche Biotierchen sind keine Lösung für das moralische Dilemma.
Als der gute Alfred Biolek einst den Hybrid aus Kochsendung und Talkshow
erfand, konnte er natürlich nicht ahnen, was er damit auslösen würde. Ein
prominentes Mitglied der heute auf der Mattscheibe allgegenwärtigen
"Lafer!Lichter!Leck mich!"-Bande heißt Tim Mälzer und beherrscht das Kochen
mäßig und die deutsche Sprache... mäßig.
Von letzterem darf sich das Publikum heute Abend und an den kommenden zwei
Montagen einmal mehr überzeugen, wenn nämlich Tim Mälzer mit seinem Ford
Mustang durch die deutsche Pampa heizt und in naiver Peter-Lustig-Manier
pädagogisch Wertvolles in Sachen Ernährung gelehrt wird und seine Zuschauer
lehren will.
Weil die Zuschauer des ARD-Abendprogrammes dem Kindesalter statistisch aber
seit Jahrzehnten entwachsen sind, wirkt diese Kinderprogramm-Attitüde
mitunter ausgesprochen rührig. Dass die Sendung daran schließlich keinen
Schaden nimmt, liegt allein an ihrem Protagonisten, der in seiner
Infantilität so ungemein authentisch ist. Tim Mälzer widmet sich im ersten
Teil der Reihe ganz dem Thema Fleischverzehr und den damit verbundenen
gesundheitlichen wie moralischen Fragestellungen.
Er tut sich um im Supermarkt, im Labor, auf der Geflügelfarm, im
Großmastbetrieb und auf dem Biobauernhof. Und er kocht in seiner Küche:
Inspiriert vom "Klebeschinken" versucht er unter Zuhilfenahme des Enzyms
Transglutaminase aus Fleischresten ein teures Filet zusammenzukleistern –
und kann hinterher tatsächlich keinen Unterschied feststellen. Parallel
folgt der Film von Katarina Schickling der Münchner Familie Kunze, deren
vier Mitglieder es bislang gewohnt waren, jeden Tag Fleisch zu essen –
morgens, mittags, abends.
Aber was man nicht alles tut, um ins Fernsehen zu kommen: Nun wollen die
Kunzes einen Monat lang fleischlos – nicht vegetarisch – leben.
## Pumperlgesunde Biosau
Wie furchtbar schwer ihnen das fällt, betonen alle Kunzes einhellig in
allen ihren Szenen. Sie eigenen sich damit hervorragend als
Identifikationsfiguren für eine erwartete Majorität von Zuschauern, welche
zwar die gezeigten Bilder von vom Fließband purzelnden Küken und in Gitter
gezwängten Säuen anstößig finden (sollen) – und gleichwohl nicht anders zu
können meinen, als ihren karnivoren Instinkten weiter zu gehorchen.
Entsprechend versöhnlich und vorhersehbar ist auch die Parole, welche der
Film am Ende ausgibt: Fleisch essen ist schon okay – nur bitte weniger und
bewusster.
Klar, die intellektuell bestechende Unnachgiebigkeit der jüngsten Bücher
von Jonathan Safran Foer ("Tiere essen") und Karen Duve ("Anständig essen")
kann, darf das dem Konsens verpflichtete öffentlich-rechtliche deutsche
Fernsehen seinen von PETA und Adorno – "Auschwitz fängt da an, wo einer im
Schlachthof steht und sagt, es sind ja nur Tiere" – verschreckten
Zuschauern nicht zumuten. Und vor allem nicht die daraus resultierenden
Konsequenzen für die eigene Lebensführung.
Gerade noch zumutbar ist hingegen: eine weichgespülte Feelgood-Variante von
"We Feed the World". Ganz am Ende, auf dem Biobauernhof, knuddelt Tim
Mälzer so eine pumperlgesunde Biosau als wäre sie ein Schoßhund und blickt
kindlich-verschmitzt in die Kamera: "Lecker!" Man darf nicht annehmen, dass
ihm die schöne Ironie dieser Szene in ihrer ganzen Tragweite bewusst ist –
bringt sie doch auch auf den Punkt, dass glückliche Bioschweinchen gerade
keine Lösung für das moralische Dilemma sind.
## "Deutschland isst ... mit Tim Mälzer (1) – immer Fleisch?", 21.00 Uhr,
ARD; "– richtig schlank?" am 9.5., "– alles frisch?" am 16.5.
2 May 2011
## AUTOREN
Jens Müller
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