# taz.de -- Bürgerkrieg in Libyen: EU kritisiert Nato | |
> Frankreich und Großbritannien fordern stärkere Angriffe der Nato gegen | |
> Gaddafis Truppen. Die Nato wies die Kritik zurück. Gaddafi drohte indes | |
> Hilfsaktionen der EU mit Gewalt zu beantworten. | |
Bild: Kein Kompromiss: Protest gegen den Friedensplan der Afrikanischen Union i… | |
TRIPOLIS/BRÜSSEL dapd/dpa/afp | Frankreich und Großbritannien machen die | |
Nato für die festgefahrene Lage im Libyen-Krieg verantwortlich und fordern | |
stärkere Angriffe gegen die Stellungen von Machthaber Muammar al Gaddafi. | |
Die schweren Waffen von dessen Truppen müssten zerstört werden, um Attacken | |
auf Rebellen und Zivilbevölkerung zu stoppen, sagte der französische | |
Außenminister Alain Juppé am Dienstag. Die Militärallianz habe das Kommando | |
übernehmen wollen, nun müsse sie auch ihre ganze Rolle übernehmen. Derzeit | |
tue die Nato "nicht genug". | |
Auch der britische Außenminister William Hague sagte auf einem | |
EU-Ressortcheftreffen in Luxemburg, die Nato "muss mehr machen". London | |
habe vergangene Woche zusätzliche Kampfjets bereitgestellt, um Bodenziele | |
zu bombardieren. "Es wäre gut, wenn andere europäische Staaten dem folgen | |
würden." Der niederländische Nato-General Mark Van Uhm wies die Kritik | |
umgehend zurück. "Wir machen einen großartigen Job", sagte er in Brüssel. | |
Die Zeit für einen Waffenstillstand hält Hague noch nicht für gekommen. | |
"Zwei Mal hat das Regime eine Waffenruhe angekündigt und die Bevölkerung | |
weiter bombardiert", sagte er. Für eine friedliche Zukunft Libyens "muss | |
Oberst Gaddafi gehen". | |
## Zweifel an Notwendigkeit für EU-Militäreinsatz | |
Juppé drängte die EU am Dienstag, angesichts ihrer militärischen | |
Zurückhaltung wenigstens der humanitären Hilfe Priorität einzuräumen, | |
insbesondere für die Stadt Misrata im Westen des Landes, die seit Tagen von | |
Gaddafis Truppen angegriffen wird. Zwar gelange Hilfe in die Stadt und | |
Verwundete könnten evakuiert werden, aber es sei "eine große Anstrengung" | |
notwendig, um den Menschen zu helfen. | |
Ob dafür auch ein europäischer Militäreinsatz notwendig ist, über den am | |
Dienstag in Luxemburg verhandelt wurde, bleibt indes fraglich. Hague sagte, | |
derzeit sei "keine militärische Absicherung erforderlich", um Hilfe zu | |
leisten. Auch aus dem Auswärtigen Dienst der EU (EADS) verlautete, dass | |
"einige Hilfe" durchkomme. Bundesaußenminister Guido Westerwelle | |
bekräftigte, Deutschland werde sich falls notwendig an einem europäischen | |
Militäreinsatz beteiligen, wenn der sich darauf beschränke, "den Opfern des | |
Krieges zu helfen", etwa bei der Absicherung der medizinischen Betreuung. | |
Die Mitgliedsstaaten hatten am 1. April grünes Licht für eine Mission | |
multinationaler Militärverbände oder Kampfgruppen gegeben. Inzwischen gibt | |
es Überlegungen für eine Misrata-Mission, für die bis zu 2.000 EU-Soldaten | |
benötigt werden könnten, wie aus der ungarischen Ratspräsidentschaft | |
verlautete. Am Dienstag sollte zunächst ein Einsatzkonzept verabschiedet | |
werden, ohne konkrete Zahlen. Mögliche Missionen wären die Einrichtung von | |
Sicherheitskorridoren oder die Absicherung von Evakuierungen. | |
Bevor es dazu kommen könnte, wäre aber eine Anfrage des UN-Büros für die | |
Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (Ocha) notwendig. Diese steht | |
aber weiter aus. | |
## Gaddafi droht mit Gewalt | |
Das Regime des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi will mögliche | |
Hilfsaktionen der EU für die eingeschlossene Stadt Misurata mit Gewalt | |
beantworten. Die staatliche Nachrichtenagentur Jana meldete am Dienstag, | |
das Außenministerium habe der EU und dem Weltsicherheitsrat mitgeteilt, | |
dass man bewaffnete Zivilisten gegen jeden in Stellung bringen werde, der | |
versuche, sich der Stadt östlich von Tripolis "unter einem humanitären | |
Vorwand" zu nähern. Die Aufständischen erklärten, es gebe heftige Kämpfe in | |
der Stadt zwischen Rebellen und Regierungstruppen. | |
Die Regierungsagentur Jana berichtete, Tripolis werde außer dem Roten Kreuz | |
und dem Roten Halbmond niemandem gestatten, Hilfe zu leisten. | |
Regierungschef Al-Baghdadi Al-Mahmudi habe dem Roten Kreuz zudem zugesagt, | |
die Ausreise der restlichen ausländischen Arbeiter aus Misurata zu | |
ermöglichen. | |
Der Nachrichtensender Al-Arabija berichtete unter Berufung auf Einwohner | |
der von Aufständischen kontrollierten Stadt, seit Beginn des Aufstandes im | |
Februar seien Hunderte von Einwohnern Misuratas aus ihren Häusern | |
verschleppt worden. Misurata wird von den Truppen Gaddafis belagert. Einige | |
der Verschleppten seien in die Hauptstadt Tripolis gebracht worden. Dort | |
habe man sie gezwungen, an den Pro-Gaddafi-Demonstrationen teilzunehmen, | |
die täglich im Fernsehen gezeigt werden. In Misurata gibt es seit Wochen | |
weder Strom noch frisches Trinkwasser. | |
## Westerwelle schließt deutsche Beteiligung weiter aus | |
Außenminister Guido Westerwelle hat eine Beteiligung der Bundeswehr an | |
Kampfhandlungen in Libyen erneut ausgeschlossen. "Deutschland beteiligt | |
sich nicht an einem Krieg in Libyen, aber wir sind natürlich bereit die | |
Folgen des Krieges für die Menschen mit zu lindern", sagte der | |
FDP-Politiker am Dienstag im Deutschlandfunk. Konkret bedeute dies für | |
deutsche Soldaten, dass sie den Transport von Hilfslieferungen an Häfen | |
begleiten oder auch Flüchtlinge betreuen. Westerwelle nannte seine Position | |
nicht neu, sondern einen "alten Kurs". | |
Bisher sei aber keine militärische Begleitung von humanitären | |
Hilfslieferungen nötig gewesen. Der mögliche Einsatz von Bundeswehrsoldaten | |
sei also noch "sehr spekulativ", sagte Westerwelle. | |
In Libyen müsse weiterhin auf eine politische Lösung gedrängt werden und | |
keine militärische. Die internationale Gemeinschaft müsse weiterhin Druck | |
auf das System Gaddafi ausüben. Es seien Sanktionen notwendig, damit kein | |
Geld zu ihm fließe. Die EU-Außenminister wollen im Laufe des Tages in | |
Luxemburg über einen möglichen Militäreinsatz zur Absicherung humanitärer | |
Hilfe beraten. | |
## Union verlangt mehr Klarheit | |
## | |
Der Vorstand der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag verlangt nach einem | |
Zeitungsbericht von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) mehr Klarheit | |
über einen möglichen humanitären EU-Hilfseinsatz der Bundeswehr in Libyen. | |
Westerwelle müsse jetzt liefern, hieß es am Montag in der Aussprache | |
seitens des außenpolitischen Unions-Sprechers Philipp Mißfelder und des | |
stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Andreas Schockenhoff. Das berichtet | |
die in Halle erscheinende Mitteldeutsche Zeitung unter Berufung auf | |
Teilnehmer. | |
Die SPD im Bundestag knüpft ihre Zustimmung zu einem Libyen-Einsatz der | |
Bundeswehr an klare Bedingungen. SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold | |
sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung: "Es kann bei einem Libyen-Einsatz der | |
Bundeswehr nur darum gehen, mit wenigen Soldaten punktuell einzugreifen, um | |
Flüchtlinge zu evakuieren, Häfen und Flughäfen zu sichern oder Korridore | |
für Hilfsgüter freizuhalten." Er gehe davon aus, dass dieser Einsatz sich | |
"nach Wochen und nicht nach Monaten bemessen wird". | |
## USA beharren auf Rücktrit Gaddafis | |
Auch die USA pochen darauf, dass ein Friedensplan für Libyen zu einem | |
Rücktritt Gaddafis führen und einen Übergang zu einer demokratischen | |
Führung beinhalten muss. "Es muss einen Übergang geben, der den Willen des | |
libyschen Volkes widerspiegelt und den Abschied Gaddafis von der Macht | |
bringt", sagte Außenministerin Hillary Clinton am Montag zum | |
Friedenskonzept der AU, das unter anderem einen Waffenstillstand | |
beinhaltet. | |
Ein Waffenstillstand in Libyen ist nach Ansicht von Nato-Generalsekretär | |
Anders Fogh Rasmussen nur bei Erfüllung einer Reihe von Bedingungen | |
möglich. "Ich nehme diese Versprechungen nicht für bare Münze", sagte | |
Rasmussen am Montag in Brüssel zu Berichten, wonach Gaddafi zu einem | |
Waffenstillstand bereit sei. | |
## Sohn Gaddafis nennt Rücktrittsforderung "lächerlich" | |
Ein Sohn des libyschen Machthabers Muammar el Gaddafi hat die Idee eines | |
Rücktritts seines Vaters "lächerlich" genannt. "Wir brauchen neues Blut, | |
das ist, was wir für die Zukunft wollen, doch Gerede über den Rücktritt des | |
Führers ist wahrlich lächerlich", sagte Seif el Islam am Montag im | |
französischen Sender BFM. Sein Vater sei im fortgeschrittenen Alter und | |
wolle nicht alles kontrollieren. Er wünsche, dass junge Leute die Führung | |
des Landes übernehmen, sagte Seif in dem Interview, das bereits am | |
Wochenende aufgezeichnet worden war. Seif gilt als möglicher Nachfolger | |
seines Vaters. | |
Libyens Außenminister Ibrahim el Scherif drohte unterdessen mit "heftigem | |
Widerstand" im Falle eines ausländischen Einsatzes in der belagerten | |
Küstenstadt Misrata. Scherif habe den UN-Sicherheitsrat, die Afrikanische | |
Union und die Europäische Union informiert, dass "das bewaffnete Volk jeder | |
Annäherung an das libysche Territorium unter dem Mantel einer humanitären | |
Mission mit unerwartetem heftigen Widerstand begegnen wird", berichtete die | |
amtliche Nachrichtenagentur Jana. | |
Allein die Hilfe des Roten Kreuzes und Roten Halbmonds werde akzeptiert, | |
hieß es weiter. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hatte am Freitag | |
in einem Brief an UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärt, die EU sei | |
bereit, notfalls auch mit militärischen Mitteln humanitäre Hilfe für die | |
300.000 Einwohner der Küstenstadt Misrata zu leisten. Die von den | |
Aufständischen kontrollierte Stadt wird seit Wochen von den Truppen | |
Gaddafis belagert und beschossen. | |
12 Apr 2011 | |
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