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# taz.de -- Urteil im Wettskandal-Prozess: "Feinde des Sports"
> Sie bestachen Fußballer, wetteten auf die Spiele - und kassierten: Das
> Landgericht Bochum verurteilt drei Angeklagte wegen Betrug zu
> mehrjährigen Haftstrafen.
Bild: "Was habe ich schon gemacht?" Angeklagter A. im Landgericht Bochum.
BOCHUM taz | Zwei Söhne waren vor dem Bochumer Landgericht erschienen, um
ihrem Vater beizustehen. "Dann kann nichts passieren", sagte Tuna A. und
posierte für ein Foto der Schwiegertochter vor dem Saal C 240. "Ich habe
doch immer nur Anrufe bekommen, dass ich auf dieses oder das Fußballspiel
wetten soll, weil es sicher ist. Ich habe mein Leben lang gezockt. Was habe
ich schon gemacht?", fragte A.
Eine Viertelstunde später erhielt er von Carsten Schwadrat eine Antwort.
Der Vorsitzende Richter der 13. Großen Strafkammer verurteilte Tuna A.
wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten. So
kam er nur etwas milder als der mehrfach vorbestrafte Stevan R. davon, der
zu drei Jahren und elf Monaten verurteilt wurde. "Wir haben Sie auch
deshalb am höchsten bestraft, weil Sie noch nicht einmal davor
zurückgeschreckt sind, Jugendspieler zu bestechen", richtete Schwadrat sich
an R.
Nürettin G. erhielt eine Freiheitsstrafe von drei Jahren. Damit erhielt den
"Rabatt", den sich sein Rechtsanwalt Jens Meggers zu Beginn des Prozesses
im Oktober 2010 erhofft hatte. G., ein Wettbürobetreiber aus
Norddeutschland, war der Erste, der umfassend über die miesen
Machenschaften der Fußball-Wettmafia auspackte. Die Staatsanwaltschaft
hatte drei Jahre und neun Monate Haft für G. gefordert, den er zu den
"Feinden des Sports" zählt.
"Ich liebe den Fußball mein ganzes Leben lang. Wie kann er so etwas
sagen?", fragte Tuna A. Dass er ein Betrüger ist, will er auch nach dem
Schuldspruch nicht wahrhaben. Dabei hatte er wie die anderen Angeklagten
eingeräumt, Geld an korrupte Fußballer gezahlt und auf die wahrscheinlich
verschobenen Spiele gewettet zu haben.
Ein "sehr komplexes und rechtlich schwieriges Verfahren", wie Schwadrat es
nannte, ging gestern nach 29 Verhandlungstagen zu Ende. Die Anwälte
kündigten eine mögliche Revision an. Dann müsste sich der Bundesgerichtshof
in Karlsruhe mit der Problematik beschäftigen.
Wie von der Staatsanwaltschaft gefordert, setzte die 13. Kammer mit ihren
Strafen ein deutliches Zeichen. Ante Sapina, der sich im Parallelverfahren
verantworten muss, kam im Zuge des sogenannten Hoyzer-Skandals 2005 mit
einer Strafe von zwei Jahren und elf Monaten davon. Die meiste Zeit
verbrachte er im offenen Vollzug. Auch die gestern Verurteilten werden nach
Einschätzung ihrer Anwälte nur nachts ins Gefängnis müssen, um etwa zwei
Drittel der verhängten Strafe abzusitzen.
Das Gericht gab sich viel Mühe, detailliert den Sachverhalt aufzuklären. An
dem Punkt aber, der die Öffentlichkeit brennend interessierte, waren der
Kammer Grenzen gesetzt. Wurde etwa das Zweitligaspiel FC Augsburg gegen den
VfL Osnabrück im Mai 2009 wirklich manipuliert? Vieles deutet darauf hin.
Letztlich bewiesen wurde es nicht. Richter Schwadrat richtete einen Appell
an den Gesetzgeber, sich Gedanken über den Straftatbestand des
Sportbetruges zu machen. Erst wenn es den gäbe, müsste auch tatsächlich
geklärt werden, ob auf dem Platz "das Fairplay mit Füßen getreten wird, um
im Bild zu bleiben".
14 Apr 2011
## AUTOREN
Marcus Bark
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