# taz.de -- taz-Serie Hamstertouren mit dem Rad (1): "Immer unser eigenes Gulas… | |
> Berliner suchen Natur - Brandenburg lockt mit Landschaft und Leckereien. | |
> Die taz führt zu den besten Plätzen. Teil 1: Familie Hüsgen aus Groß | |
> Ziescht. | |
Bild: Oh, wie schön ist Brandenburg: Agrarier bei Brandenburg/Havel. | |
Der Hof Alt-Domigk liegt am Dorfteich von Groß Ziescht. Weil die Familie | |
auch Hunde züchtet, wird Besuch von lautem Gekläff angekündigt. Aus der mit | |
viel Glas umgebauten alten Scheune kommt Susanne Hüsgen, eine füllige Frau | |
mit kurzen schwarzen Haaren und langen Fingernägeln, die in den Farben Rosa | |
und Hellblau lackiert sind. | |
"Dass ich einmal Landwirtin werde, hätte ich nie gedacht. Ich war ja | |
Hebamme in Berlin. Als die Kinder kamen, haben wir gesagt: Eigentlich | |
müsste man rausziehen, auf dem Land ist es doch ganz nett. Es war ja gerade | |
die Wende und da haben wir diesen Vierseithof in Groß Ziescht gekauft und | |
die Scheune zum Wohnhaus ausgebaut. Eigentlich wollten wir hier nur wohnen. | |
Aber nach zwei Jahren hat mein Mann gesagt: ,Mensch, wir könnten hinter die | |
Scheune doch zwei Rinder stellen, dann haben wir immer unser eigenes | |
Gulasch.' | |
Wir hatten einen Hektar Land am Haus und da haben wir zwei Kühe und einen | |
Bullen der Rasse Highland Cattle gekauft. Die erfordern wenig Zeitaufwand, | |
brauchen keinen Stall, sind immer draußen - weil ausmisten und nach der Uhr | |
leben wie bei Milchvieh, da wollte ich gar nicht ran. Irgendwann, da war | |
die Herde auf so zehn Tiere angewachsen, stellte sich die Frage: Bleiben | |
wir bei dieser Größe, als Hobby, oder machen wir eine richtige, angemeldete | |
Landwirtschaft? Meine Tochter war damals 15 und hat gesagt: ,Ich möchte | |
Landwirtin werden und den Betrieb übernehmen.' Da haben wir gesagt: Gut, | |
wir machen weiter. | |
Meine Tochter ist dann auf eine Landwirtschaftsschule gegangen. Mit drei | |
Tieren und einem Hektar haben wir angefangen. Jetzt haben wir 80 Tiere und | |
150 Hektar. Es ist natürlich ein Nachteil, wenn man einen Betrieb ganz neu | |
aufbauen muss. Wir mussten peu à peu alles selber kaufen. Traktor eins und | |
zwei. Einen Heuwender, eine Presse, ein Mähwerk, eine Schleppe, einen | |
Mulcher, einen Striegel. Es ist viel Erspartes reingesteckt worden. Bis | |
eine Herde etwas abwirft, dauert es. Highlander wachsen langsam. Allein | |
neun Monate bleibt das Kalb bei der Mutter - da ist so ein normaler | |
Mastbulle schon muskelbepackt und schlachtreif. Bei einem Hochland-Rind ist | |
da noch gar nichts dran, bei uns dauert es drei Jahre, bis wir schlachten | |
können. | |
Täglich fahre ich die Koppeln ab, ob alles in Ordnung ist. Jetzt stehen die | |
Tiere noch auf der Winterkoppel, wo sie gefüttert werden. Sie bekommen das | |
Heu, das wir im Sommer gemacht haben. In diesem Winter auch Silage aus | |
Gras. Kraftfutter brauchen sie nicht. Highlander kommen ursprünglich aus | |
Schottland, sind Karges gewohnt. Von daher passen sie gut zu unserem | |
mageren Boden. Ab Mitte April ist dann das erste Gras da, dann fressen sie | |
auf der Weide. | |
Wenn die Tiere schlachtreif sind, bringen wir sie in den Nachbarort, da ist | |
ein Familienschlachtbetrieb. Das Fleisch bekomme ich dann portionsweise | |
zerlegt und vakuumiert und friere es bei mir ein. Bislang habe ich alles | |
von meinem Hof aus vermarktet, es war ja auch nicht so viel. Wir sind jetzt | |
erst so weit, dass wir das ganze Jahr über einen bestimmten Lieferumfang | |
haben. Also ich muss jetzt verstärkt in die Vermarktung gehen und spreche | |
Gastronomen an. | |
Aber so einfach ist das nicht. Das Fleisch wäre für die gehobene | |
Gastronomie geeignet. Aber die sagen: ,Wir nehmen Ihnen gern 30 Kilo Filet | |
ab.' So ein Tier hat vielleicht 3 bis 4 Kilo Filet. Und was mache ich mit | |
dem Rest? Den kann ich ja nicht zu Hundefutter verarbeiten. Ich schaue mich | |
jetzt nach Gastronomen im mittleren Bereich um. | |
Ich möchte bei meinen Kunden gern das Bewusstsein festigen darüber, wie die | |
Tiere leben, die man isst. Das möchte ich auch für Kinder interessant | |
machen. Mit der Kita nebenan haben wir einen Kinderbauernhof. Kaninchen, | |
Minischweine, drei Alpakas. Ich dachte, es wäre doch eine schöne Sache, | |
wenn die Kinder Tiere erleben, Kaninchen misten, Schweine füttern, lernen: | |
Was fressen die überhaupt? Es gibt ein Beet, wo sie das Futter für die | |
Kaninchen anbauen. | |
Wir hatten Ferkel von den Minischweinen. Das war natürlich sehr schön, die | |
wachsen zu sehen. Aber dann haben wir die geschlachtet. Ehrlich gesagt, ich | |
weiß nicht, ob die Erzieherinnen den Kindern das gesagt haben. Ich würde es | |
wahrscheinlich sagen, weil es gehört dazu, dass in der Landwirtschaft | |
bestimmte Tiere gehalten werden, um sie zu essen. Als mein erster Bulle | |
geschlachtet wurde, saß ich im Auto und habe geheult. Gegessen habe ich ihn | |
dann trotzdem." | |
14 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Kerstin Schweizer | |
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