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# taz.de -- Walpurgisnacht in Berlin: Linksradikalismus mit Musik
> Die Auftaktveranstaltungen zum 1. Mai in Berlin blieben weitgehend
> friedlich. 1.500 demonstrieren gegen Gentrifizierung. Spontankonzert
> dämpft Ausschreitungen in Friedrichshain. Einige Festnahmen.
Bild: Stimmungsumschwung: Die Band'a Joe am späten Samstagabend auf der Boxhag…
Am Ende hat der Zufall die entscheidende Rolle gespielt. Denn als das
Programm der Antikapitalistischen Walpurgisnacht um 22 Uhr beendet war, als
Polizei, potenzielle Randaliere und Pressefotografen schon Stellung bezogen
hatten für das, was da üblicherweise kommen sollte, kam eine Blechblascombo
vorbei und lockte die Menge an. Zwar wurden noch einige Papierhäufchen
angezündet, Flaschen geworfen und auch ein paar Böller knallten. Doch die
überwiegenden Menge schwang lieber das Tanzbein, als sich mit der Polizei
zu prügeln. So blieb es in der dieser Walpurgisnacht auffällig ruhig in
Berlin.
Schon seit dem Nachmittag hatten stets rund 500, später etwa 1.000 Besucher
auf dem Wismarplatz den Redner und Bands der Antikapitalistischen
Walpurgisnacht gelauscht. Parallel dazu demonstrierten bis zu 1.500
Menschen in Mitte und Prenzlauer-Berg. Beide Veranstaltungen richteten sich
[1][in einem gemeinsamen Aufruf] gegen Mieterhöhung und Vertreibung linker
Projekte, sowie für unkommerzielle Kultur und ein menschenwürdiges Leben.
## Die Demonstration
Die Demonstration gegen Gentrifizierung hatte sich am Nachmittag vom
Rosenthaler Platz in Bewegung gesetzt. "Wir bleiben alle", verkündete das
pinke Fronttransparent, hinter dem sich viele schwarz Gekleidete einreihen.
Weiter hinten liefen auch Familien mit. "Viva Schokoladen, Berlin bleibt
Göre", forderten dort ein Transparent den Erhalt der alternativer
Kulturkneipe. Je länger die Demo, umso mehr Menschen schlossen sich ihr an.
Am Ende waren es rund 1.500, die durch den Prenzlauer Berg zum U-Bahnhof
Eberswalder Straße zogen.
"Diese Stadt braucht kollektive, selbstverwaltete Wohnräume", forderte ein
Redner. "Und die werden wir uns erkämpfen." Eine Rednerin verwies auf die
wahlkämpfenden Parteien: "Von euch erwarten wir uns nichts."
Aufwertungsprozesse seien längst kein Innenstadtphänomen mehr. Der
Prenzlauer Berg sei hier eine "Mahnung" für andere Kieze.
Aus den Cafés und Patisserien blickten Latte- und Weißwein-Trinker leicht
verängstigt auf die Demonstration. Es bleibt friedlich. Nur Knöpfe flogen
ab und an aus der Demo, auf einem Hausdach in der Kastanienallee wurde ein
Feuerwerk abgefackelt. Die Polizei schritt nicht ein, begleitete nur die
die Spitze und das Ende des Aufzugs locker. "Freundlich und schnell",
wertete ein älterer Mitprotestierer am Ende die Demo. "Ich glaube, unsere
Botschaft ist angekommen."
## Die Konzerte
Für die Veranstaltung auf dem Wismarplatz hatte die Polizei den Kiez
weiträumig abgesperrt. Das von ihr verhängte Flaschenverbot wurde rigide
überwacht. Der Boxhagener Platz, auf dem in den Vorjahren das Fest und
anschließende Krawalle stattgefunden hatten, war diesmal zeitweilig
komplett gesperrt.
Auch in diesem Jahr hätte es durchaus zu heftigeren Ausschreitungen kommen
können. Der Moderator der Walpurgisnacht hatte nach den Konzerten der fünf
Bands als letztes das Publikum gebeten einen "Berliner Chanson" zu singen,
worauf das Publikum mehrfach "Ganz Berlin hasst die Polizei" gröhlte. Die
Polizei wiederum hatte nahezu alle Seitenstraßen mit ihren
Mannschaftsfahrzeugen zugeparkt und mobile Schweinwerfer aufgestellt.
Die aus Paris stammende "[2][Band'a Joe]", die mit ihrem Blechblassound für
den Stimmungswandel sorgte, wusste gar nichts vom besonderen Ort ihres
Spontankonzerts. "Wir sind gerade auf Tournee durch Europa", erzählte der
Tuba-Spieler. Man habe ihnen gesagt, dass Friedrichshain wegen seiner
vielen Bars ein guter Ort für ein Straßenkonzert sei. "Dann haben wir hier
die vielen Leute gesehen und losgelegt". Dass ein paar Meter weiter gerade
das politische Straßenfest geendet hatte, hätten sie gar nicht gewusst.
Nach Ende des Konzerts dauerte es nur wenige Minuten, bis dass übliche
Katz- und Maus-Spiel zwischen Polizei und Rumstehenden begann. Es
beschränkte sich allerdings auf einen gut hundert Meter langen Abschnitt
der Boxhagener Straße.
Die Polizei attestierte am Sonntag der Walpurgisnacht einen "überwiegend
friedlichen Verlauf". Insgesamt seien bis zum Sonntagmorgen 58 Personen
festgenommen worden. Die Polizei war allerdings nicht nur in
Friedrichshain, sondern auch am Mauerpark in Prenzlauer Berg und im
Kreuzberger Viktoriapark im Einsatz. Im Vorjahr hatte die Polizei für
diesen Zeitraum 60 Festnahmen gemeldet. Schon damals hatte Innensenator
Ehrhart Körting (SPD) von einer der friedlichsten Walpurgisnächte seit
langem gesprochen.
1 May 2011
## LINKS
[1] http://walpurgisnacht.blogsport.eu/2011/04/13/antikapitalistische-walpurgis…
[2] http://www.bandajoe.com/
## AUTOREN
Gereon Asmuth
Konrad Litschko
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