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# taz.de -- Gespannte Lage in Pakistan: Tod bin Ladens schürt Angst vor Rache
> Bislang kämpfen etwa zehn Prozent der Taliban gegen Pakistan. Das könnte
> sich jetzt, nach Osama bin Ladens Tod, gravierend ändern.
Bild: Bin Laden-Anhänger in Multan, Pakistan.
DELHI taz | In der sonst ruhigen Nachbarschaft in Bilal Town im
pakistanischen Abbottabad ist es mit dem Frieden dahin: Sicherheitskräfte
sperren weiterhin den letzten Zufluchtsort von Osama bin Laden ab, die
Polizei durchsucht die Gegend. Mindestens elf Menschen wurden vorübergehend
festgenommen, wie pakistanische Zeitungen berichteten.
Die meisten von ihnen wohnten direkt neben dem Haus von bin Laden. Auch
zwei Krankenschwestern, die ahnungslos Osamas Kindern jüngst eine
Polio-Impfung verabreichten, kamen in Haft, ebenso wie der alte Milchmann,
der die Kolonie und wohl auch den Al-Qaida-Chef und seine Familie
versorgte.
Doch während Pakistans Polizei in Abbottabad noch nach Spuren sucht,
bemühen sich Politik und Militär, die Operation bin Laden so tief wie
möglich zu hängen. In Quetta, wo am Montag ein paar hundert Demonstranten
lautstark Rache an Amerika für den Tod bin Ladens gefordert hatten, bemühte
man sich sogleich um eine Beruhigung der Lage. Auch ein Protestmarsch der
verbotenen islamistischen Jamat-u-Dawa in Pakistans Hafenstadt Karachi am
Dienstag wurde von der Polizei diskret beendet.
Die Tatsache, dass Amerikas Staatsfeind Nummer eins auf pakistanischem
Boden von US-Kräften getötet wurde, bringt enorme innere Spannungen und
Gefahren für den Nuklearstaat Pakistan mit sich. Denn nur wenige glauben
der offiziellen Version, wonach Pakistan an der Aktion nicht beteiligt war.
Talat Masud, ein hoher pakistanischer Militär im Ruhestand, vermutet, dass
Teile des Sicherheitsapparates Osama bin Laden geschützt haben: "Ich denke,
es gibt wahrscheinlich eine Komplizenschaft auf bestimmten Ebenen, sonst
würde das unmöglich sein", sagte der Exgeneral der britischen Zeitung
Telegraph.
## Pakistan spielt den Blamierten
Zwar bemühen sich die USA, das Engagement Pakistans herunterzuspielen und
Pakistan selbst spielt den Blamierten, der den Topterroristen auch direkt
unter seiner Nase nicht bemerkt hat, doch die Angst vor der Rache al-Qaidas
ist groß. Der Preis, den Pakistan nun zahlen muss, könnte hoch sein.
Schließlich waren es vermutlich die Pakistanis, die den "Terrorfürsten" am
Ende ans Messer lieferte. "Wurde er verraten? Natürlich!", schrieb der
erfahrene Reporter Robert Fisk im britischen Independent.
Die pakistanischen Taliban (TTP) schworen gleich nach Bekanntgabe der
Tötung des Topterroristen durch ein US-Killerteam Vergeltung: Sie erklärten
Pakistan zum Feind Nummer eins und die US zur Nummer zwei. Die TTP hat in
den letzten Jahren zahlreiche schwere Terroranschläge in ganz Pakistan
verübt.
Doch nun könnte alles noch schlimmer kommen: Bislang kämpfen nur etwa zehn
Prozent der Taliban gegen Pakistan: Die große Mehrheit der Aufständischen
bekriegt bislang die US- und Nato-Truppen in Afghanistan, mit dem Ziel, die
fremden Soldaten vom Hindukusch zu vertreiben. Der Tod bin Ladens könnte
die beiden Gruppen nun vereinen. Die strukturelle Umbildung von al-Qaida
2006 hat den Taliban in Pakistan und Afghanistan neuen Auftrieb gegeben.
Auch der Tod des Al-Qaida-Gründers könnte der islamistischen Terrorbewegung
nun neue Kraft geben. Die Ziele sind offensichtlich: Pakistan, Indien und
der Westen. Und Pakistan fürchtet, es könnte der Erste in der Schusslinie
sein. Ein terroristischer Feuersturm könnte das labile Land mit Atomwaffen
und einer Armee von über einer halben Million Soldaten noch weiter
destabilisieren.
4 May 2011
## AUTOREN
Agnes Tandler
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