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# taz.de -- Tathergang des Einsatzes gegen bin Laden: Immer neue Versionen
> Obamas Sprecher korrigiert die ursprüngliche Darstellung des Weißen
> Hauses. Demnach war Osama bin Laden unbewaffnet. Und über Fotos wird
> gestritten.
Bild: Was ist hier passiert? Neugierige in Abbottabad vor bin Ladens letztem Ve…
WASHINGTON taz | Einen Tag später gibt es eine neue Version der letzten
Momente des Lebens von Osama bin Laden. Danach soll vieles in Abbottabad
ganz anders gewesen sein: Bin Laden war nicht bewaffnet, habe aber
"Widerstand geleistet". Bin Laden benutzte keine Frau als menschlichen
Schutzschild. Und in dem Raum im zweiten Stock des Wohnhauses, in dem der
Al-Qaida-Führer mit einem Schuss in die Brust und einem Schuss in den Kopf
getötet wurde, befanden sich gleichzeitig zehn andere Personen, darunter
Frauen und Kinder.
Präsidentensprecher Jay Carney trug diese korrigierte Darstellung der
Ereignisse am Dienstagnachmittag in Washington den Medien vor. Details über
den "Widerstand" von bin Laden nannte Carney nicht. In einem Interview an
anderer Stelle sagte CIA-Chef Leon Panetta am selben Tag, es wäre "keine
Bedrohung" gewesen, hätte bin Laden bei Ankunft der Seals die Hände über
den Kopf gehalten und sich ergeben.
Sowohl Carney als auch Panetta versicherten, dass die Seals nicht den
Auftrag gehabt hätten, bin Laden zu töten. Diese Entscheidung sei vor Ort
gefallen. Laut Panetta gab es dort "mehrere bedrohliche Bewegungen". Unter
anderem sei der letzte Treppenaufgang zu dem Raum, in dem sich bin Laden,
die Frauen und die Kinder befanden, verbarrikadiert gewesen, und es hätte
die Gefahr bestanden, dass das Gebäude vermint war.
Die starken Abweichungen zu der Version, die am Vortag der
Counterinsurgency-Spezialist des Weißen Hauses, John Brennan, geliefert
hatte, begründet Weiße-Haus-Sprecher Carney mit der "großen Eile" der
US-Regierung, "die Details an die Öffentlichkeit zu bringen". Brennan hatte
Osama bin Laden als einen Mann geschildert, der luxuriös - und fernab der
Front - lebte und sich feige hinter einer Frau versteckte.
Über diese junge Frau, die bei der Kommandooperation der Seal 6 mit einem
Beinschuss verletzt wurde, will der US-Fernsehsender ABC wissen, dass es
sich um bin Ladens letzte Ehefrau, die 29-jährige Amal Ahmed Abdul Fatah,
handelt. Sie soll aus eigenem Antrieb dazwischengegangen sein, als die
Seals ihren 54-jährigen Mann töteten. Möglicherweise ist sie auch
diejenige, die seinen Leichnam identifizierte. Laut ABC ist sie die Mutter
von drei der angeblich 18 Kinder, die bin Laden mit insgesamt fünf Frauen
haben soll. Unter anderem soll auch bin Ladens zwölfjährige Tochter Safia
bei der Tötung ihres Vaters anwesend gewesen sein.
## Ehefrauen in Händen der pakistanischen Behörden
Die Ehefrau Nummer fünf sowie die anderen Frauen und Kinder, die sich am
Sonntag in dem Raum aufgehalten haben, in dem bin Laden getötet wurde,
befinden sich gegenwärtig in den Händen der pakistanischen Behörden.
Aus Washington verlautete, dass die Seals am Ende ihres Einsatzes nicht nur
die Leiche bin Ladens, sondern auch "fünf Computer, zehn Festplatten sowie
mehr als 100 Speichergeräte" mitgenommen hätten. Diese Beute soll im
Hauptquartier des CIA untersucht werden. US-Terrorfahnder gehen davon aus,
dass die Geräte neue Hinweise enthalten. Sie vermuten auch, dass zahlreiche
Al-Qaida-Leute jetzt möglicherweise dabei sind, ihren Wohnort zu wechseln.
Zu der Beute gehören auch Telefonnummern, die in bin Ladens Kleidung
eingenäht gewesen seien. Dies sowie die Tatsache, dass er nicht bewaffnet
war, werten US-Ermittler als Hinweis darauf, dass bin Laden davon ausging,
im Notfall frühzeitig gewarnt zu werden.
Über den Umgang mit den Fotos des Toten herrscht in Washington weiterhin
Uneinigkeit. Dabei gehen die Differenzen quer durch die Parteien und
Institutionen. Während der Noch-CIA-Chef und künftige
US-Verteidigungsminister Panetta der Ansicht ist, dass sie veröffentlicht
werden sollen, ist für das Weiße Haus vorerst noch die Frage offen, ob ihre
Veröffentlichung mehr Nutzen bringen als Schaden anrichten würde.
Der republikanische Abgeordnete und Militärexperte Howard McKeon will sie
"eher nicht" veröffentlicht sehen, die demokratische Senatorin Dianne
Feinstein hingegen, die dem Geheimdienstkomittee des Senats vorsteht,
meinte, dass sie "nützlich für eine hundertprozentige Identifizierung [bin
Ladens] sein könnten".
4 May 2011
## AUTOREN
Dorothea Hahn
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