# taz.de -- Weniger Kinderarmut in Deutschland: Rein statistischer Erfolg | |
> Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung musste seine Statistiken | |
> zur Kinderarmut deutlich nach unten korrigieren. Eine Entwarnung soll das | |
> aber nicht sein. | |
Bild: Alles halb so wild? Arme Kinder in Deutschland. | |
BERLIN taz | Die Kinderarmut in Deutschland ist offenbar nur halb so groß | |
wie bislang angenommen. Statt der von der OECD 2009 vermeldeten 16,3 | |
Prozent betrug sie im Untersuchungszeitraum 2005 bis 2008 nur 8,3 Prozent - | |
und lag damit nie über dem OECD-Schnitt von 12,3 Prozent. Das bestätigte | |
das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) am Freitag in Berlin. | |
Das DIW hatte die entscheidenden Zahlen an die OECD geliefert. Offenbar | |
hatte sich jedoch ein Messfehler eingeschlichen, der aus unvollständig | |
ausgefüllten Fragebögen resultierte. "Diesen Messfehler haben wir behoben", | |
sagte der zuständige Wissenschaftler Markus Grabka der Nachrichtenagentur | |
dpa. Das Institut habe die Verfahren zur Hochrechnung und Gewichtung | |
verändert und die Daten korrigiert. In einer späteren, ebenfalls am Freitag | |
veröffentlichten Erklärung bestreitet das DIW allerdings einen Messfehler | |
und betont nun, die korrigierte Zahl sei aufgrund neuer und verbesserter | |
Messmethoden zustande gekommen. | |
Politische Auswirkungen hat die Korrektur voraussichtlich nicht. Als die | |
schwarz-gelbe Koalition das Kindergeld zu Beginn der Legislaturperiode | |
erhöhte, begründete sie diesen Schritt zwar vor allem mit den Zahlen zur | |
Kinderarmut. Die familienpolitische Sprecherin der Union, Dorothee Bär, | |
betonte am Freitag gegenüber der taz: "Die Kindergelderhöhung wird nicht | |
zurückgenommen." Die etwas bessere Situation von Familien sei erfreulich. | |
Nach Meinung des Armutsforschers Steffen Kohl vom Wissenschaftszentrum | |
Berlin für Sozialforschung sollte man die neuen Zahlen nicht als Entwarnung | |
missverstehen."Kinderarmut in Deutschland ist ein ernstes Problem", sagte | |
Kohl der taz. "Geht man von Armut bei einem Familieneinkommen von 60 | |
Prozent des Durchschnitts aus, sind tatsächlich etwa 16 Prozent der Kinder | |
betroffen." Der finanzielle Spielraum in diesen Familien sei kaum höher. | |
Armut bei Kindern nur anhand des Indikators Einkommen zu bestimmen, ist | |
nach Ansicht Kohls ohnehin nicht der optimale Weg. Die Politik sollte bei | |
ihren Entscheidungen auch Untersuchungen zu Rate ziehen, die ein | |
ganzheitlicheres Bild der Lebenssituation von Kindern zeichnen. | |
6 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Claus Holland | |
## TAGS | |
Kinderarmut | |
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