# taz.de -- Bericht der Vereinten Nationen: Deutschland ist beratungsresistent | |
> Hierzulande muss mehr gegen Kinderarmut getan werden. Das fordern die | |
> Vereinten Nationen und lassen so gut wie kein Haar an der deutschen | |
> Sozialpolitik | |
Bild: Die Uno ist besorgt über die Sozialpolitik in Deutschland: Vor allem sol… | |
BERLIN taz | Die Vereinten Nationen (UN) sind "tief besorgt". Über | |
Deutschland und seine Beratungsresistenz. So lautet, salopp gesagt, das | |
Fazit des fünften Länderberichts des UN-Wirtschafts- und Sozialausschusses. | |
Das Gremium tagte Anfang Mai in Genf, das Ergebnis liegt seit einigen | |
Wochen in Schriftform vor. | |
Jetzt sorgt die UN-Schelte für Wirbel, nachdem der [1][Tagesspiegel] am | |
Mittwoch darüber berichtete. Die [2][taz] hatte bereits am 23. Mai Teile | |
daraus veröffentlicht. | |
Die UN kritisiert eigentlich alles, was den Alltag in Deutschland ausmacht: | |
die schlechte Integration von MigrantInnen, die im Osten im Vergleich zum | |
Westen doppelt so hohe Arbeitslosenquote, zu wenige Frauen in | |
Führungspositionen, die unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen, | |
fehlende Kitaplätze, ein überholtes Frauenbild und klischeehafte | |
Geschlechterrollen. | |
Moniert werden auch Gewalt in der Familie, die hohe Kinderarmut, | |
Studiengebühren oder die Diskriminierung trans- und intersexueller | |
Menschen. Als positiv interpretiert man die gesunkenen Arbeitslosenzahlen, | |
den Kinderschutz und die Idee der häuslichen Langzeitpflege. | |
Die Kritik an sich ist nicht neu: Die UN übte sie bereits mehrfach. Doch | |
jetzt heißt es in dem Papier: "Der Ausschuss ist tief besorgt darüber, dass | |
viele seiner früheren Empfehlungen … nicht umgesetzt wurden." Die UN rät | |
Deutschland, dies zu ändern. Und fordert den "Vertragsstaat nachdrücklich | |
dazu auf, zu erwägen, durch die Annahme von Quoten" die Diskrimierung von | |
Frauen mit Führungsanspruch abzuschaffen und darüber aufzuklären, "dass | |
Mädchen und Jungen gleiche Berufschancen offenstehen". | |
## Zahlen über Kinderarmut nach unten korrigiert | |
Vor allem aber sollte die Kinderarmut bekämpft werden. 2,5 Millionen Kinder | |
leben aufgrund des geringen Hartz-IV-Satzes unter der Armutsgrenze, | |
kritisiert die Organisation. Jedes vierte Kind gehe ohne Frühstück zur | |
Schule. Diesen Vorwurf wies das Arbeitsministerium zurück. Die UN-Kritik | |
sei "in Teilen nicht nachvollziehbar", sagte eine Sprecherin. Ministerin | |
Ursula von der Leyen (CDU) hatte stets betont, dass bedürftige Kinder durch | |
das Bildungspaket ein "warmes Mittagessen" bekämen. | |
Die Kritik des Ministeriums ist teilweise berechtigt. Das Deutsche Institut | |
für Wirtschaftsforschung hatte im Mai seine Daten über Kinderarmut | |
korrigiert. Bis 2009 wurde angenommen, dass in Deutschland 16,3 Prozent | |
Kinder arm seien. Durch eine neue Berechnungsgrundlage zeigte sich aber, | |
dass es "nur" 8,3 Prozent sind. Im Bericht tauchen offenbar die alten | |
Zahlen auf. | |
Die Politik zeigt sich dennoch alarmiert. Als "Ohrfeige für die | |
Bundesregierung" bezeichnete Anette Kramme, sozialpolitische Sprecher der | |
SPD-Fraktion, den UN-Bericht. "Besonders peinlich ist die Forderung, dass | |
Kinder aus armen Familien richtige Mahlzeiten bekommen sollen", sagte | |
Dagmar Enkelmann, parlamentarische Geschäftsführerin der Linken im | |
Bundestag. Linke-Parteivorsitzender Klaus Ernst forderte einen | |
"Armuts-TÜV". | |
6 Jul 2011 | |
## LINKS | |
[1] /1/politik/deutschland/artikel/1/un-zerpflueckt-deutsche-sozialpolitik/ | |
[2] /1/politik/deutschland/artikel/1/ruege-fuer-umgang-mit-fluechtlingen/ | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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