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# taz.de -- Grenzkontrollen vor Wiedereinführung: Dänen nicht ganz dicht
> Die dänischen Rechtspopulisten wollen die Grenzen wieder rund um die Uhr
> überwachen lassen - um "osteuropäische Banden" abzuwehren. Die Regierung
> signalisiert Entgegenkommen, bald sind Wahlen.
Bild: Könnte bald zum vertrauten Bild werden: Dänische Polizisten kontrollier…
STOCKHOLM taz | Die routinemäßigen Kontrollen an der deutsch-dänischen
Grenze könnten bald wieder eingeführt werden. Wenn es nach Pia Kjærsgaard,
der Vorsitzenden der "Dänischen Volkspartei" geht, am liebsten "schon
morgen".
Zur Begründung ihres Vorstoßes beziehen sich die dänischen Rechtspopulisten
nicht auf aktuelle Flüchtlingsbewegungen aus Nordafrika - diese Flüchtlinge
kommen normalerweise nicht nach Dänemark -, sondern auf eine angeblich
steigende Kriminalität. "Eine Wiedereinführung der Grenzkontrollen ist ganz
einfach notwendig", erklärte Kjærsgaard: "Es gibt da viel zu viel
Kriminalität, viel zu viel osteuropäische Banden, viel zu viel Schwindel
und Betrügereien."
Um den Ernst ihrer Forderung klar zu machen, hat die Dänische Volkspartei
das Thema höher gehängt: Nur wenn Grenzkontrollen kämen, werde sie der
langfristigen Haushaltsplanung der rechtsliberal-konservativen Regierung
unter Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen zustimmen. Auch ihre
Unterstützung der von Rasmussen angestrebten Reform der vorzeitigen
Ruhestandsregelungen macht die Volkspartei vom Grenzkontroll-Thema
abhängig.
Rasmussen steht einer Minderheitsregierung vor, die sich regelmäßig auf die
Stimmen der Dänischen Volkspartei stützt. Nach Verhandlungen am Wochenende
kündigte Justizminister Lars Barfoed an, dass man den Forderungen entgegen
kommen werde: "Wir sind auf einem guten Weg. Ich denke, wir werden eine
Lösung finden."
Die dürfte so aussehen, dass Kopenhagen die Schengen-Zusammenarbeit nicht
formal aufkündigt, aber die nur ausnahmsweise eingeräumte Möglichkeit zu
Grenzkontrollen in der Praxis sehr extensiv auslegt. "Wir hätten ja kein
Problem damit, Schengen einfach aufzukündigen", erklärte Kjærsgaard, deren
Partei der dänischen EU-Mitgliedschaft grundsätzlich kritisch
gegenübersteht: "Aber nachdem die Regierung mit einem solchen Schritt ja
Probleme zu haben scheint, glaube ich, wir können das auch innerhalb von
Schengen lösen."
Peter Skaarup, rechtspolitischer Sprecher der Dänischen Volkspartei, wurde
konkreter: "Wir stellen uns vor, dass wieder 24 Stunden am Tag Zöllner an
der Grenze stehen und alle Fahrzeuge herauswinken, die ihnen irgendwie
verdächtig vorkommen." Derzeit sind die meisten Grenzübergange nur
sporadisch besetzt. Umsonst wäre eine solche personelle Aufstockung beim
Zoll nicht zu haben, aber die umgerechnet rund 40 Millionen Euro jährlich
wären nach Meinung von Skaarup eine lohnende Investition.
Spätestens im November müssen in Dänemark Parlamentswahlen stattfinden. Und
schon seit Tagen halten sich in Kopenhagen hartnäckig Gerüchte, wonach die
Auflösung des Parlaments und die Bekanntgabe eines Wahltermins durch
Ministerpräsident Rasmussen unmittelbar bevorstehen. Aktuelle
Meinungsumfragen zeigen eine Pattsituation zwischen den jetzigen
Regierungsparteien und der Linksopposition. Ein solcher Wahlausgang würde
der Dänischen Volkspartei wieder die begehrte Rolle als Zünglein an der
Waage einräumen.
Der Partei wird deshalb von links auch vorgeworfen, dass Thema der offenen
Grenzen und der wachsenden Kriminalität vorwiegend aus wahltaktischen
Erwägungen aufgegriffen zu haben. "Reine Symbolpolitik" sei dieser Vorstoß,
meint Emilie Turunen, Europaabgeordnete der Linkssozialisten: "Solche
stichartigen Kontrollen lassen sich bereits jetzt machen."
Turunen dreht den Spieß um: Wenn Dänemark wirklich etwas gegen
grenzüberschreitende Kriminalität tun wollte, müsse es seine Vorbehalte
gegenüber der im Maastricht-Abkommen vereinbarten polizeilichen
Zusammenarbeit aufgeben: "Denn die sind ein Hindernis für eine effektivere
internationale Polizeizusammenarbeit." Mehr Grenzkontrollen würden der
dänischen Polizei da überhaupt nicht weiterhelfen.
Vor allem wären sie auch recht wirkungslos, wenn die übrigen
skandinavischen Schengen-Mitglieder nicht dem dänischen Beispiel folgen und
ebenfalls die Grenzkontrollen verschärfen würden. Denn dann gäbe eine weit
offene Hintertür: Seit 1958 besteht die Nordische Passunion. Damals wurden
die Grenzkontrollen an den inneren Grenzen zwischen Dänemark, Schweden,
Norwegen und Finnland abgeschafft.
Wer keine dänische Grenzkontrolle riskieren will, könnte deshalb ganz
einfach den Umweg über die Schwedenfähren und die Öresundbrücke nach
Dänemark nehmen.
9 May 2011
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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