# taz.de -- Taliban-Experte kritisiert Pakistan: Großangriff in Afghanistan | |
> Der Taliban-Experte Ahmed Rashid sieht mit dem Tod des al-Qaida-Chefs | |
> Chancen für eine Verhandlungslösung am Hindukusch. Pakistan sei das | |
> Problem. | |
Bild: Afghanische Polizisten nach dem Großangriff der Taliban. | |
BERLIN taz | Beim ersten Terroranschlag in Pakistan seit dem Tod von | |
Al-Qaida-Chef Osama bin Laden sind am Dienstag zwei Menschen getötet | |
worden. Laut dpa starben eine Polizistin und ein Zivilist bei der Explosion | |
einer ferngesteuerten Bombe vor einem Gerichtsgebäude in der nordwestlichen | |
Stadt Nowshehra. | |
Zu der Tat bekannte sich zunächst niemand. Ein möglicher Zusammenhang mit | |
bin Ladens Tod blieb unklar. Ein neuer mutmaßlicher US-Drohnenangriff | |
tötete in Wasiristan drei mutmaßliche militante Islamisten. | |
Entgegen einer Meldung des US-Senders CBS hat Pakistan noch nicht | |
entschieden, ob US-Ermittler Zugang zu den drei Witwen bin Ladens erhalten. | |
Sie sind im Gewahrsam des pakistanischen Geheimdienstes. | |
Außen-Staatsekretär Salman Bashir sagte am Dienstag in Islamabad, die USA | |
hätten noch keinen offiziellen Antrag gestellt. Die USA wollen | |
herausbekommen, wer bin Laden in Pakistan unterstützte. | |
Am Montag sagte US-Präsidentensprecher Jay Carney, die USA würden sich bei | |
Islamabad nicht für die Geheimaktion zur Tötung bin Ladens in Pakistan | |
entschuldigen. Präsident Barack Obama sei vielmehr von der Notwendigkeit | |
wie dem Recht zu der Aktion überzeugt. | |
Pakistan hatte bei einer Wiederholung "ernste Konsequenzen" angedroht. Laut | |
dem britischen Guardian gab es Ende 2001 eine Geheimabsprache zwischen | |
Pakistan und den USA, wonach die USA bin Laden in Pakistan eigenmächtig | |
verfolgen dürften. Islamabad werde dann dagegen protestieren. | |
## Schlag für al-Qaida | |
Bin Ladens Tötung sei eine Chance für Afghanistan, sagte der pakistanische | |
Journalist und Taliban-Experte Ahmed Rashid am Dienstag bei einem Vortrag | |
vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin. Zwar werde | |
dies den Terror al-Qaidas in Afghanistan und Pakistan nicht beenden. | |
Sein Tod sei aber ein Schlag für al-Qaida und werde im Terrornetzwerk einen | |
Machtkampf auslösen. Sein Stellvertreter Aiman al-Sawahiri sei nicht | |
beliebt. Al-Qaida könnte sich auch stärker nach Jemen oder Somalia | |
verlagern. | |
Ermutigend sei die Zurückhaltung der afghanischen Taliban auf bin Ladens | |
Tod, so Rashid. Sie versuchten, anders als die pakistanischen Taliban, sich | |
von al-Qaida zu distanzieren. Damit steige jetzt die Chance für eine | |
politische Lösung. | |
Die jüngste Taliban-Offensive in Kandahar zeige, dass die Übergabe der | |
Sicherheitsverantwortung an afghanische Militärs beim laufenden Aufstand | |
nicht funktionieren könne, so Rashid. Afghanistans Militär sei zu korrupt, | |
zu ungebildet und wegen vieler Desertionen zu schwach. Verhandlungen seien | |
der einzige Weg. Ein großes Problem sei aber Pakistan. | |
Rashid kritisierte die Reaktionen auf bin Ladens Tötung im eigenen Land: | |
"Pakistan ist noch im Zustand des Leugnens." Denn jemand müsse ihn dort | |
protegiert haben. Die Herausforderung sei, Pakistan dazu zu bringen, | |
"geradeheraus" zu sein. | |
Für die internationale Afghanistan-Konferenz in Bonn im Dezember forderte | |
Rashid, die Taliban und die afghanische Zivilgesellschaft einzuladen. Auch | |
Afghanistans Nachbarn müssten mitmachen. | |
Beim zweiten Taliban-Großangriff in wenigen Tagen griffen nach lokalen | |
Polizeiangaben 400 Aufständische in der nordöstlichen Grenzprovinz Nuristan | |
eine Polizeikaserne bei der Provinzhauptstadt Parun an. 23 Angreifer sollen | |
getötet worden sein, Verluste der Polizei wurden nicht genannt. | |
10 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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