# taz.de -- Abbottabad nach Osama bin Laden: Die Stimmung ist leicht bedrohlich | |
> In dem idyllischen Bergstädtchen Abbottabad wollen viele vergessen | |
> machen, dass Osama bin Laden hier lebte. Journalisten gegenüber herrscht | |
> Misstrauen. | |
Bild: Gefährlich ist Abbottabad nicht. | |
ISLAMABAD taz | "Amerikaner, Amerikaner", kreischt ein kleiner Junge aus | |
einem Fenster im Haus gegenüber, während er sein Gesicht hinter den | |
Gardinen versteckt. Die Stimmung im idyllischen Bergstädtchen Abbottabad | |
ist fast bedrohlich, gut eine Woche nach der Tötung von Osama bin Ladens. | |
Das Hotel Alpine will offenbar kein Essen mehr an Ausländer servieren. Ein | |
Kellner signalisiert, die Küche sei geschlossen. | |
Auch im PC-Hotel gegenüber auf der Manshera Road gibt man sich abweisend. | |
"Amerikaner?", fragen die drei jungen Männer an der Rezeption sofort mit | |
verdächtigem Unterton. Ausländische Journalisten hätten doch am Sonntag die | |
Stadt verlassen müssen. "Das ist eine Anweisung des Außenministeriums und | |
der pakistanischen Medienbehörde", erklärt einer von ihnen hinter dem | |
Empfangstresen des ansonsten leeren Hotels. Zimmer dürften nur noch mit | |
einer Sondergenehmigung an ausländische Gäste vermietet werden. "Aus | |
Sicherheitsgründen", sagt einer der Männer und lächelt dabei sanft. | |
Gefährlich ist es in Abbottabad nicht. Die Stadt kennt keine | |
Selbstmordattentate oder Bombenanschläge, wie sie in Lahore oder Karatschi | |
zum Alltag gehören, denn in Abbottabad regiert Pakistans Armee. Auf den | |
grünen Berghängen, die die Kleinstadt umgeben, sind die Namen der hier | |
ansässigen Regimenter mit riesigen weißen Lettern angeschrieben. | |
In Abbottabad stationiert sind die Piffers und Balochs, der Heimatformation | |
von Pakistans mächtigem Militärchef Asfaq Kayani. Dazu kommt die | |
Kakul-Militärakademie, die Kaderschmiede der pakistanischen Armee. Die | |
Stadt beherbergt zudem die Militärmusikschule des Landes, das Korps der | |
Militärärzte, die Militärsportschule und ein Militärkrankenhaus. Die Armee | |
bildet ihre eigene Stadt in der Stadt. Sie hat eigenen Schulen, | |
Restaurants, Hotels, Golfplätze, Friedhöfe, Moscheen, Geschäfte, Clubs und | |
Sportanlagen. | |
## Um bin Ladens Haus ist alles abgeriegelt | |
Kaum einen Kilometer von der Militärakademie entfernt, in Bilal Town, lebte | |
Osama bin Laden in einem dreistöckigen Haus. Hier gibt es kein Durchkommen | |
mehr. Alles ist weiträumig abgeriegelt. "Wenden Sie sich an den Polizeichef | |
der Stadt", schlägt ein Polizist ausweichend vor. Nur noch Anwohner werden | |
durch die Sperren durchgelassen. Selbst die Straße, die zur Eliteschule der | |
pakistanischen Armee führt, ist blockiert. Kein Durchkommen ohne eine | |
Sondergenehmigung. | |
Das Gelände, auf dem sich der Al-Qaida-Chef versteckte, hat die | |
pakistanische Armee inzwischen konfisziert, heißt es. Als Anwohner vor | |
Tagen nachts einige Explosionen hörten, verbreitete sich rasch das Gerücht, | |
das Ingenieurkorps des Militärs habe bereits mit den Abrissarbeiten | |
begonnen. Es scheint, als wolle Pakistan die unrühmliche Episode bin Laden | |
so schnell wie möglich vergessen. Nichts soll mehr daran erinnern, dass bin | |
Laden über Jahre hinweg in dem beschaulichen Bergstädtchen gewohnt hat. | |
In Abbottabad können es viele Menschen nicht fassen, dass der meistgesuchte | |
Mann der Welt nebenan lebte. "Wir sind eine ganz eng verbundene | |
Gesellschaft", sagt ein junger Mann. Er hält es für unmöglich, dass sich | |
bin Laden hier in Abbottabad unbemerkt verstecken konnte. Dass die | |
Amerikaner kein Foto vom toten bin Laden veröffentlichen, bestärkt ihn nur | |
in seinem Verdacht. Sein Unmut ist groß: "Die Amerikaner können hier | |
machen, was sie wollen." | |
## "Wir haben nie was gesehen" | |
Ahmed, ein 26-jähriger Mann, der in einem Kopierladen arbeitet, lebt seit | |
sieben Jahren in Bilal Town nahe dem Bin-Laden-Komplex. Er hat die gleichen | |
Zweifel. "Ich glaube nicht, dass er hier war. Wir haben nie was gesehen", | |
sagt er. Ahmed fragt sich sogar, ob die Amerikaner überhaupt in Abbottabad | |
waren, in jener Nacht am 2. Mai. Er sei von einer starken Explosion | |
aufgewacht, erinnert er sich. Gegen 1.25 Uhr sei er dann auf die Terrasse | |
seines Hauses gestiegen. "Es gab ein großes Feuer", erzählt er. "Und viele | |
Leute. Alle von der pakistanischen Armee in Autos und in Uniform. Aber | |
keine Amerikaner." | |
Ahmed meint, danach zwei amerikanische Hubschrauber gesehen zu haben. Einer | |
sei abgestürzt, der zweite nur für einige Minuten geblieben. Eine Woche | |
nach den Ereignissen ist die Verwirrung über den Ablauf komplett. Niemand | |
scheint genau zu wissen, wie viele Hubschrauber es in dieser Nacht waren | |
und woher sie kamen. | |
Eine Frau in einem Café denkt, es seien drei Helikopter gewesen. Auch am | |
Nebentisch diskutiert eine Gruppe Gruppe Jugendlicher erregt die | |
Angelegenheit. Doch als sie Ausländer erblicken, rücken sie enger zusammen | |
und tuscheln nur noch ganz vorsichtig. Ein verlegen schauender Kellner | |
stellt die Musik lauter und serviert dann weiter. | |
11 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Agnes Tandler | |
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