# taz.de -- Kommentar Religiöse Gewalt in Ägypten: Drahtzieher und Demagogen | |
> Die Tahrir-Jugend in Kairo muss sich der Ideologie der radikalen | |
> Islamisten entgegenstellen. Schafft sie es nicht, sind die Erfolge der | |
> Revolution in Gefahr. | |
Das nachrevolutionäre Ägypten plagen viele Probleme: Armut, Analphabetentum | |
und radikale islamistische Rattenfänger, die im ganzen Land nun unbehelligt | |
ihr Unwesen treiben. Dass ausgerechnet im Kairoer Armenviertel Imbaba nun | |
die Kirchen brannten, ist kein Zufall. | |
Dort waschen radikale Scheichs schon seit Jahrzehnten die Gehirne all | |
jener, die nie das Privileg irgendeiner Bildung bekamen. Da reicht ein | |
Gerücht, dass eine zum Islam konvertierte Frau in einer Kirche festgehalten | |
wird, um die Lage innerhalb von Minuten explodieren zu lassen. | |
Während der Revolution standen Christen und Muslime am Tahrir-Platz Seite | |
an Seite. Obwohl wochenlang keine Polizei auf der Straße war, wurde keine | |
einzige Kirche angegriffen. Erst als die Ägypter die Büros der | |
Staatssicherheit besetzten und deren Auflösung forderten, brannte vor | |
einigen Wochen die erste Kirche. | |
Hinter den Angriffen auf die Kirchen steht eine kleine, aber sehr laute | |
Gruppe radikaler Islamisten, die einen mittelalterlichen Islam predigen, in | |
dem Christen keinen gleichberechtigten Platz haben. | |
In Kairo geht das Gerücht, dass die Vertreter der Staatssicherheit und des | |
alten Mubarak-Regimes jetzt diese Salafisten von der Leine lassen, um Chaos | |
zu stiften. Auch Saudi-Arabien steht im Verdacht, denn von dort stammt | |
nicht nur die salafistische Ideologie, sondern auch das Geld, mit dem die | |
radikalen Scheichs ausgeschickt werden, ihre giftigen Ideen zu verbreiten. | |
Saudi-Arabien fürchtet, die arabischen Revolutionen könne auch auf die | |
Arabische Halbinsel überschwappen. | |
Viel hängt jetzt davon an, wie die ägyptische Gesellschaft reagiert. Das | |
alte Regime hat die radikalen Islamisten als reines Sicherheitsproblem | |
betrachtet und weggesperrt, ihrer Ideologie entgegengestellt hat es sich | |
nicht. Jetzt ist es an der Zeit, diese Strömungen politisch und | |
gesellschaftlich zu isolieren. Das ist eine der dringlichsten Aufgaben, | |
denen sich die Tahrir-Jugend jetzt stellen muss. | |
11 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Karim Gawhary | |
Karim El-Gawhary | |
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