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# taz.de -- Sexuelle Neigungen von Strauss-Kahn: Keusch sind nur die Medien
> Bisher waren in Frankreich das Privatleben und erst recht die sexuellen
> Neigungen von PolitikerInnen für die Öffentlichkeit tabu. Jetzt zeigen
> sich die Folgen.
Bild: Sexuelle Praktiken von Politikern waren bisher in franzözischen Medien T…
PARIS taz | Die "Affäre DSK" wird auch Folgen für die französischen Medien
haben. Unabhängig davon, ob der IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn wirklich
versucht hat, eine Hotelangestellte in New York zu oralem Sex zu nötigen.
Denn nun stehen Frankreichs Journalisten vor einer Gewissensfrage.
Über DSK und seinen sexuellen Appetit wurde seit vielen Jahren im kleinen
Kreis geredet. Viel geredet. Doch gegenseitig versicherten sich die Insider
in der Gerüchteküche, dass diese brühwarm aufgetischten Geschichten samt
und sonders "off the records", also nicht für die Öffentlichkeit bestimmt
seien.
Denn bisher galt für die Medien in Paris wie in der Provinz das
ungeschriebene Gesetz, dass das Privatleben und erst recht die sexuellen
Praktiken oder Neigungen der PolitikerInnen und Spitzenfunktionäre tabu
sind. Und bisher hielten sich auch alle an diese Regel. Einige bedauern
dies jetzt.
Die Öffentlichkeit muss ihnen zwangsläufig den Vorwurf machen, über DSK
nicht alles gesagt zu haben. Der Schock ist nun umso größer, weil ein
anscheinend von allen geschätzter Spitzenpolitiker, der zumindest nach
Meinung seiner Partei der nächste Staatspräsident der Republik werden
sollte, der Anklage zufolge wie ein Besessener über ein Zimmermädchen in
New York hergefallen sein soll.
## Scheuklappen in Sachen Intimsphäre
Viele seiner in Frankreich befragten Fans oder Mitarbeiter beteuern jetzt,
das entspreche nun wirklich nicht dem Charakter dieses Manns, den sie
persönlich kannten - oder gekannt zu haben meinten. Wirklich?
Die Scheuklappen in Sachen Intimsphäre von Prominenten, allen voran denen
aus der Politik, sind so alt, wie die Republik alt ist. Hinter
vorgehaltener Hand wurde zwar immer über die Abenteuer früherer Präsidenten
gemunkelt. Aber eben nur dort. Und das ohne jede moralische Entrüstung,
sondern eher mit einer Art stolzer Anerkennung für so viel männliche
Lebenslust und Vitalität. So trugen die letzten Präsidenten Valéry Giscard
d'Estaing, François Mitterrand und Jacques Chirac auf ihre Art aktiv dazu
bei, sich ein Image als Frauenhelden zu schmieden, das für die Geschichte
noch verklärt wird.
Nicht alle können aber so wie 1899 Präsident Félix Faure den letzten Atem
beim Orgasmus in den Armen einer Mätresse aushauchen. Doch auch bei
Mitterrand dauerte es noch fast zwanzig Jahre, bis publik wurde, dass er,
abgesehen von etlichen Seitensprüngen, ein Doppelleben führte und eine
außereheliche Tochter hatte.
Über DSK und seine manchmal etwas zu peinlichen Verführungsversuche wurde
also schon lange getuschelt. Der hat das Zeug zu einem Präsidenten, sagten
sich die Machos - während andere fürchteten, er könne eines Tages zu weit
gehen. Zu Letzteren gehört DSKs Parteifreundin Aurélie Filipetti, die 2008
der Schweizer Zeitung Le Temps gestand: "Ich habe alles getan, um nicht
allein mit ihm in einem geschlossenen Raum zu sein."
## "Brünstiger Schimpanse"
In einer Fernsehsendung hatte nämlich die Journalistin Tristane Banon
erzählt, bei einem Interviewtermin im Jahre 2002 sei DSK über sie
hergefallen wie ein "brünstiger Schimpanse". Er habe sie zuerst angefasst
und gedrängt. "Zum Schluss haben wir gekämpft. Ich habe ihm klar gesagt:
nein, nein! Wir haben am Boden gerungen. Ich habe ihm nicht nur Ohrfeigen
gegeben, sondern auch Fußtritte. Er hat versucht, meinen BH aufzuhaken und
meine Jeans aufzuknöpfen." Weil sie mit einer Tochter von DSK befreundet
war und auf den Rat ihrer Mutter, selbst Mitglied bei DSKs Sozialisten,
verzichtete Banon damals aber darauf, Klage wegen sexueller Aggression
einzureichen.
Die Geschichte sollte eigentlich schon in der jetzt erschienenen
DSK-Biografie "Le Roman vrai de Dominique Strauss-Kahn" von Michel Taubmann
stehen. Doch das Kapitel ist verschwunden - angeblich auf Druck eines
Medienberaters des IWF-Chefs. Nun will Tristane Banon aber nachträglich
Klage einreichen. Auch, weil sie heute vermutet, dass sie nicht die Einzige
ist, die von DSK belästigt wurde.
Was vor Augen führt, dass die Vogel-Strauss-(Kahn)-Politik des Wegsehens im
Namen der Nichteinmischung ins Privatleben ziemlich perverse Konsequenzen
haben kann.
17 May 2011
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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