# taz.de -- Netzbetreiber warnen vor Blackout: Wenn der Winter kommt ... | |
> Nur noch 4 von 17 Atomkraftwerken sind am Netz. Nun warnen die großen | |
> Netzbetreiber: Im Winter könnte es zu Stromausfällen kommen. Ist die | |
> Sorge berechtigt? | |
Bild: Ob es im Winter in den Netzen knallt? Die Betreiber warnen, die Regierung… | |
BERLIN taz | Richtig ernst klang, vor was die vier | |
Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) in Deutschland am Wochenende warnten: "Die | |
deutschen ÜNB sehen insbesondere im Winterhalbjahr den notwendigen | |
Handlungsspielraum und verfügbare Maßnahmen zur Erhaltung der | |
Systemstabilität weitgehend erschöpft." | |
Das heißt auf gut Deutsch: Es drohen Stromausfälle, weil zu viele | |
Atomkraftwerke vom Netz sind. Ist das alles nur Panikmache? | |
Das glaubt etwa die Anti-Atom-Organisation "ausgestrahlt", deren Sprecher | |
Jochen Stay sagte, die Prognosen seien interessengeleitet und mit Vorsicht | |
zu genießen. Schließlich gehörten zwei der vier Übertragungsnetzbetreiber | |
zu Atomkonzernen: Amprion und die EnBW Transportnetze AG. Den ÜNB gehören | |
die großen Höchstspannungsleitungen, die die Basis der deutschen | |
Stromversorgung sind. Fällt hier was aus, sind sie verantwortlich. | |
Die Regierung sprach davon, dass sie die Warnungen "sehr ernst" nehme. Eine | |
Sprecherin von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) sagte, die | |
Versorgungssicherheit sei "oberstes Gebot", die Lage sei aber beherrschbar. | |
## "Transportproblem, nicht Angebotsproblem" | |
Die Bundesregierung erklärte gegenüber der taz: "Es geht um ein | |
Transportproblem und nicht um ein Angebotsproblem." Derzeit laufen nur noch | |
4 der 17 Atommeiler. Das hängt zum einen mit dem Atommoratorium zusammen, | |
aber auch mit routinemäßigen Wartungsarbeiten bei manchen Reaktoren. | |
Besonders das gute Wetter entspannt momentan die Situation: Die deutschen | |
Solarzellen können zur Mittagszeit die abgeschalteten Atommeiler ersetzen. | |
Im Sommer sei die Situation derzeit beherrschbar, sagen die ÜNB. | |
Das Problem sind Extremsituationen im Winter: wenn Fabriken produzieren, | |
die Republik heizt sowie Bewölkung und Flaute Sonnen- und Windstrom fast | |
ausfallen lassen. Dann muss trotzdem zu jeder Sekunde in jedem Abschnitt | |
des Netzes genug Spannung vorhanden sein. Zudem muss genug Ersatz an | |
Kraftwerken und Leitungen vorhanden sein, falls wegen Pannen noch mehr | |
Stromproduktion vom Netz gehen muss oder Leitungen ausfallen. Zudem könnten | |
Stromimporte wegbrechen, wenn die Energie auch in den Nachbarländern knapp | |
wird. Genau vor diesen Extremsituationen warnen die ÜNB. | |
## Ein Stromausfall könnte ganz Europa treffen | |
Auch die Internationale Energieagentur IEA ist beunruhigt, sie forderte in | |
der Vergangenheit einen massiven Ausbau der Kernenergie: Im Interesse der | |
Region sollte Deutschland eine gemeinschaftliche Entscheidung in der EU | |
anstreben, sagte der Chef der Agentur, Nobuo Tanaka, der Financial Times | |
Deutschland. "Es geht nicht um ein deutsches, es geht um ein europäisches | |
Problem." Tatsächlich hängen die Stromnetze in Europa so zusammen, dass ein | |
Stromausfall in einem Land auch die Nachbarn treffen kann. | |
Olav Hohmeyer, Professor an der Universität Flensburg, hält die Warnungen | |
dennoch für überzogen. Er hat in einer Studie errechnet, dass in | |
Deutschland alle AKWs bis 2015 vom Netz gehen könnten, wenn die derzeit im | |
Bau befindlichen Gas- und Kohlekraftwerke auch wirklich errichtet werden. | |
## "Netzbetreiber wollen mit Warnungen Politik machen" | |
Er glaubt, dass die Netzbetreiber mit ihren Warnungen Politik machen | |
wollen: "Hier wird die Kernenergiedebatte benutzt, um den Netzausbau | |
voranzutreiben, der für den Atomausstieg nicht nötig ist." | |
Hinzu kommt ein Problem, auf das die Grünen am Montag aufmerksam machten: | |
Zwar sind Kapazität von Kraftwerken und Netzen öffentlich bekannt; Daten | |
über genaue Stromflüsse und den sekundengenauen Verbrauch rücken die | |
Netzbetrieber aber nicht raus – schließlich sind es private Unternehmen. | |
Unabhängige Wissenschaftler können die Behauptungen der ÜNB also en détail | |
nicht nachprüfen. Die Bundesnetzagentur als Behörde hat bessere Chancen - | |
deren Vizepräsident, Johannes Kindler, sagte der taz, es gebe keinen Grund | |
zur Panik. "Die Warnung ist ernst zu nehmen. Sie wird jetzt geprüft." | |
Trotzdem solle jeder "ruhig Blut bewahren". | |
23 May 2011 | |
## AUTOREN | |
I. Arzt | |
H. Gersmann | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
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