# taz.de -- Kommunalwahlen in Italien: Schwere Schlappe für Silvio Berlusconi | |
> Bei den Stichwahlen verliert die Rechtskoalition Mailand deutlich an | |
> einen Linkskandidaten. Auch die Müllkrise in Neapel nutzte Berlusconi | |
> nichts. | |
Bild: Mailand verloren - es ist zum Heulen: Italiens Premier Silvio Berlusconi. | |
ROM taz | Schwere Pleite für Silvio Berlusconi bei der zweiten Runde der | |
Kommunalwahlen in Italien: Nach ersten Hochrechnungen verlor sein Lager die | |
Stichwahl sowohl in Mailand als auch in Neapel klar. Die seit Sonntag früh | |
geöffneten Wahllokale schlossen am Montag um 15 Uhr. Und sofort setzten in | |
den TV-Runden die Diskussionen ein, ob jetzt tatsächlich das politische | |
Ende Berlusconis kommt. | |
Denn allen in Italien ist klar: Dies war kein Wahlgang wie die vielen | |
anderen, die der umstrittene italienische Medienzar und Premierminister in | |
all den Jahren seit seinem Einstieg in die Politik 1994 bestanden hatte. | |
Dies war die erste Wahl seit Berlusconis Sexskandalen - und dazu noch eine | |
Abstimmung die er zum Votum über seine Regierung erklärt hatte. | |
In Mailand lag der Linkskandidat Giuliano Pisapia am Montag Nachmittag in | |
den Hochrechnungen bei 55 Prozent, während die Berlusconi-Kandidatin, die | |
seit fünf Jahren amtierende Bürgermeisterin Letizia Moratti, auf schwache | |
45 Prozent kam. | |
Mailand - das ist nicht irgendeine Stadt Italiens. Die Metropole versteht | |
sich traditionell als "moralische Hauptstadt" des Landes, und sie ist die | |
Wirtschaftsmetropole, in der die Rechte seit 20 Jahren keine Wahl verlor. | |
Jetzt aber gelang Pisapia die für unmöglich gehaltene Übung: Obwohl der | |
Rechtsanwalt von der stramm Linken Partei "Linke - Ökologie - Freiheit" | |
aufgestellt worden war (in Vorwahlen hatte er sich gegen einen gemäßigt | |
linken Kandidaten durchgesetzt), eroberte er eine deutliche Mehrheit. | |
Pisapia steht für eine soziale und ökologische Wende in der Stadt, die er | |
gerne "wie Berlin" sähe. Und der klare Verlierer gegen ihn ist weniger | |
seine Amtsvorgängerin Moratti als Berlusconi höchstpersönlich: Er hatte den | |
Mailänder Wahlkampf zur Chefsache erklärt - musste sich dann aber beim | |
zweiten Wahlgang von seinen rechten Parteigängern bitten lassen, nicht mehr | |
im Wahlkampf aufzutreten. | |
Nationalen Symbolwert hat auch die Niederlage in Neapel. Hier hatte zwar | |
bisher die Linke regiert. Berlusconi aber war sich absolut sicher, auch | |
diese Stadt werde ihm wie eine reife Frucht in den Schoß fallen. | |
Schließlich hatte vorneweg die Linke die seit Jahren anhaltende Müllkrise | |
Neapels und Kampaniens zu verantworten. Und schließlich war es der | |
Berlusconi-Rechten in den letzten zwei Jahren gelungen, mit klarem | |
Vorsprung sowohl die Provinz Neapel als auch die Region Kampanien zu | |
erobern. Diese Erfolge verdankten sich nicht zuletzt der Tatsache, dass | |
Berlusconi nach seinem nationalen Wahlsieg 2008 die Südmetropole scheinbar | |
vom Müll befreit hatte. | |
Doch seit ein paar Monaten sind die Abfallberge wieder da - und auch im | |
Süden ist Silvios Glanz weg: Der Linkskandidat Luigi De Magistris - ein | |
früherer Anti-Korruptions-Staatsanwalt - gewann sensationelle 64-65 | |
Prozent. | |
Damit kommen schwere Zeiten auf die rechte Regierungskoalition zu. Bisher | |
gab sie sich vor allem mit einem Argument völlig Skandal-resistent: Die | |
Wähler stünden schließlich auf ihrer Seite, Berlusconis Konsens sei trotz | |
seiner Schmuddelgeschichten ungebrochen. Mit dieser bequemen Ausflucht ist | |
es jetzt vorbei. Wenn auch mit großem Zeitverzug sind die Folgen der | |
Skandale jetzt auch in den Wahlurnen zu besichtigen. | |
Und es ist die gesamte italienische Rechte, die verliert. Anders als bei | |
anderen Wahlen konnte die rechtspopulistisch-fremdenfeindliche Lega Nord | |
unter Umberto Bossi nicht von den Verlusten ihres Koalitionspartners | |
Berlusconi profitieren, sondern brach in Mailand ebenso wie in zahlreichen | |
anderen Kommunen des Nordens ein. | |
Auf der Linken dagegen gewannen mit Pisapia und De Magistris zwei | |
Kandidaten, die nicht aus der Hauptoppositionspartei, der gemäßigt linken | |
Partito Democratico (PD) stammen, sondern sich gegen die PD durchgesetzt | |
hatten. Eine Lehre auch für die Linke: In Neapel wie auch in Mailand hatten | |
Kandidaten Erfolg, die eigentlich als chancenlos galten - weil sie "zu | |
radikal" waren. Womöglich gewannen sie am Ende gerade deshalb. | |
30 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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Italien | |
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