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# taz.de -- Protestanten und Integration: Du sollst Götter haben neben mir
> Der beste Schwiegersohn aller Zeiten bekräftigte: der Islam gehört zu
> Deutschland. Bei Bundespräsident Wulff ist von Islamophobie nichts zu
> spüren.
Bild: Freund der Integration: Bundespräsident Christian Wulff.
DRESDEN taz | Sollten Menschen doch lernfähig sein? Auf dem Evangelischen
Kirchentag in Dresden schien diese Hoffnung angebracht zu sein - wie
überhaupt das Christentreffen stets Anlass zu dieser und jener Hoffnung
bieten muss. Bundespräsident Christian Wulff zeigte, dass er mehr ist als
der beste Schwiegersohn aller Zeiten im Schloss Bellevue. Und sein
christliches Publikum bewies, dass evangelisch gefärbte Islamophobie wohl
doch eher eine Minderheitenposition unter Protestanten ist.
In der umgebauten Eisarena am Stadtrand Dresdens diskutierte der frühere
CDU-Ministerpräsident in einer illustren Runde vor Hunderten Menschen über
das etwas manierierte Thema "Wie viel Integration braucht die Demokratie?".
Das Ganze hat eine gewisse Brisanz, da sich Wulff mit seinem Satz, dass der
Islam "inzwischen auch zu Deutschland" gehöre, schon im vergangenen Herbst
vor allem in konservativen Kreisen Feinde gemacht hatte - selbst der neue
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) glaubte ihm da kurz nach
dessen Amtsantritt widersprechen zu müssen.
Würde das Staatsoberhaupt diese Aussage noch einmal wiederholen - zumal vor
einem Publikum, bei dem man uneingeschränkte Zustimmung nicht unbedingt
erwarten durfte? Beim Kölner Kirchentag vor vier Jahren war der damalige
Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof
Wolfgang Huber, von seinen christlichen Zuhörern noch regelrecht bejubelt
worden, als er den Vorsitzenden des Zentralrates der Muslime, Ayyub Axel
Köhler, bei dessen ungeschickter Verteidigung des Islam argumentativ
regelrecht schlachtete.
Bei der Podiumsdiskussion in der Eisarena war nun ein zweifacher
Lernprozess zu beobachten: Der Bundespräsident bekräftigte den einen Satz,
dass der Islam nämlich zu Deutschland gehöre. Und er fügte hinzu, er habe
dies gesagt, um die Muslime in der Bundesrepublik aus der
gesellschaftlichen Ecke zu holen. Von rund 4.200 Briefen, die er dazu
bekommen habe, hätten sich nur 200 positiv geäußert. Alle anderen hätten
Worten "sehr ängstlich" reagiert. Da war es einigermaßen erstaunlich, dass
das Dresdner Publikum so überaus zustimmend auf Wulffs Appelle für den
Islam und die Integration reagierte. Von Islamophobie war, geht man nach
dem Beifall für Wulff, nichts zu spüren. Ganz anders als in Köln vor vier
Jahren.
## Vorbildlich integrierte Studentin der Zahnmedizin
Sicherlich gibt es die Sarrazin'sche Strömung auch im deutschen
Protestantismus noch - aber hier an der Elbe schien sie ziemlich in der
Defensive zu sein. Vielleicht lag das ja auch an Wulffs Gesprächspartnern,
die eine geradezu vorbildhafte Integration in der ersten oder zweiten
Generation verkörperten. Da war die Autorin Sineb El Masrar, der Münchner
Soziologen Armin Nassehi, Grigori Lagodinsky von der jüdischen Gemeinde
Kassel und Aylin Selcuk, eine Studentin der Zahnmedizin, die ehrenamtlich
das junge Integrationsforum "Deukische Generation e.V." mit gegründet hat.
Einzig die Lehrerin Betül Durmaz, die ein Buch über die gescheiterte
Integration an ihrer Gelsenkirchener Schule geschrieben hat, goss etwas
Wasser in den diskursiven Wein, mit dem man sich langsam auf dem Podium ob
so vieler geglückter Migrations- und Aufstiegsgeschichten euphorisiert
hatte. Das Muslim- und Integrationsthema, so schien es in Dresden, hat ein
wenig an hysterischer Aufgeregtheit verloren - und etwas an Tiefe und
Gelassenheit gewonnen. Wenn sich, wofür einiges spricht, hier die
christliche Mitte der Gesellschaft trifft, wäre das keine schlechte
Nachricht.
3 Jun 2011
## AUTOREN
Philipp Gessler
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