# taz.de -- Frauen-WM 2011 und die Bundesliga: Liefern und kuschen | |
> Bislang gibt das Nationalteam den Takt an im deutschen Frauenfußball. Die | |
> Bundesliga hofft auf einen Aufschwung durch die WM, aber es wird auch | |
> leise gemurrt. | |
Bild: Interessiert kaum jemanden: Turbine Potsdam feiert den dritten Meistersch… | |
BERLIN taz | Die Diskrepanz besteht schon seit langem, aber in diesem | |
großen Ausmaße muss sie derzeit selbst den deutschen Nationalspielerinnen | |
etwas seltsam vorkommen. Vor wenigen Wochen noch, als sie in der | |
Fußball-Bundesliga kickten, interessierte sich kaum einer für sie. | |
Interviewanfragen zum Meisterschaftskampf gab es allenfalls von der | |
Lokalpresse. | |
Nun, da sie sich auf die am 26. Juni beginnende Weltmeisterschaft im | |
eigenen Lande vorbereiten, versammelten sich zuletzt in Neu-Isenburg selbst | |
zum Training 500 Zuschauer. Fast so viele wie ansonsten bei einem | |
Ligaspiel. Am Rasenrand postieren gar die TV-Teams ihre Kameras. | |
Unter der Leitung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) werden die zwei sehr | |
unterschiedlichen Welten sorgsam zusammengehalten. Auf dem beschwerlichen | |
Weg der Anerkennung des Frauenfußballs ist der Konsensdruck hoch und das so | |
erfolgreiche Nationalteam – zwei WM-Titel und fünf EM-Titel in Folge – gibt | |
eindeutig den Takt an. | |
Als die Bundesligavereine im November 2009 einstimmig für einen extrem | |
zusammengestauchten Spielplan in der WM-Saison votierten, damit das | |
Nationalteam bequeme drei Monate Vorbereitungszeit auf das große Turnier | |
hat, da bedankte sich Bundestrainerin Silvia Neid höflich für "die | |
Kooperationsbereitschaft" der Vereine. | |
## Kritik aus der Liga | |
Turbine Potsdams Trainer Bernd Schröder war damals der einzige, der | |
hinterher murrte, ihm sei ja gar nichts anderes übrig geblieben. Als er | |
sich dann im Mai mit seinem Team auf das Champions-League-Finale gegen | |
Olympique Lyon ohne seine fünf Nationalspielerinnen vorbereiten musste, | |
beklagte er sich erstmals offensiv über das fehlende Vertrauen der | |
Bundestrainerin und er fügte süffisant hinzu, Joachim Löw könne von solchen | |
Bedingungen bei den Männern nur träumen. | |
Auf die ungewohnte Störung aus der Bundesliga reagierte Silvia Neid mit | |
einer Klarstellung der Machtverhältnisse: "Die Männer-Bundesliga ist eine | |
Vollprofi-Liga, die der Frauen nicht. Da sind viele Spielerinnen, die acht | |
Stunden am Tag arbeiten und dann abends noch ins Training gehen. In der | |
Liga wird ein anderes Tempo gespielt, als auf dem internationalen | |
Top-Niveau einer WM." | |
Die Bundestrainerin machte deutlich: die Bundesliga ist für sie momentan | |
nicht viel mehr als ein Zulieferbetrieb von "Rohmaterialien". Ihr werden | |
zwar die besten Spielerinnen zur Verfügung gestellt, damit diese dann aber | |
auch international glänzen können, müssen sie erst noch eines gründlichen | |
Feinschliffs unterzogen werden. | |
Bernd Schröder ist nicht nur der einzige Ligavertreter, der die absolute | |
Vorrangstellung des Nationalteams in Frage stellt, sondern auch der | |
einzige, der der öffentlich bekundete, er verspreche sich von der WM keine | |
sonderlich großen positive Effekte auf die Bundesliga. Andere sind da | |
deutlich optimistischer. | |
## Kritik an der Liga | |
Insbesondere Siegfried Dietrich, der Manager des finanzstärksten Klubs, dem | |
1. FFC Frankfurt, erhofft sich von der WM einen Anstoß, der die | |
Frauen-Bundesliga mittelfristig zum Vollprofitum führt und den Vereinen | |
3.000 bis 5.000 Zuschauer beschert – vergangene Saison lag der Schnitt bei | |
etwa 800 Besuchern pro Spiel. Im Schlepptau der Nationalmannschaft soll | |
sich die Liga zu einer eigenen Marke entwickeln, die sie womöglich | |
unabhängiger werden lässt. | |
Der DFB würde allerdings bei der weiteren Entwicklung der Bundesliga gerne | |
die Zügel in der Hand behalten. Die für den Frauenfußball verantwortliche | |
DFB-Vizepräsidentin Hannelore Ratzeburg hat vor einigen Tagen dem von | |
Dietrich favorisierten Konzept des freien Wettbewerbs eine Absage erteilt. | |
Ihr missfällt die Konzentration der Nationalspielerinnen auf Turbine | |
Potsdam, den 1. FFC Frankfurt und den FCR Duisburg, die drei besten Klubs | |
der Liga. Dies führe zum einen zu einer Unterforderung der Besten, zum | |
anderen würden sich dadurch die Vermarktungschancen der kleineren Klubs | |
beträchtlich verschlechtern, sagte Ratzeburg. | |
Die jüngsten Verpflichtungen des 1.FFC Frankfurt, der die beiden | |
Nationalspielerinnen Fatmire Bajramaj und Kim Kulig an sich binden konnte, | |
begeistern Ratzeburg deshalb gar nicht und sie macht öffentlich auch keinen | |
Hehl daraus. Sollte die Bundesliga nach der WM tatsächlich einen Aufschwung | |
erleben, dann wird sich das vorhandene Konfliktpotential zwischen Liga und | |
Nationalmannschaft künftig gewiss schwerer deckeln lassen. | |
15 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
## TAGS | |
WM 2011 – Mixed Zone | |
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