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# taz.de -- Katalanen belagern Parlament in Barcelona: Gummigeschosse gegen Blo…
> Das autonome Katalonien muss sparen. Besonders bei Bildung und Gesundheit
> soll der Rotstift angesetzt werden. In Madrid verhindern Bürger eine
> Zwangsräumung.
Bild: Proteste vor dem katalanischen Regionalparlament in Barcelona.
MADRID taz | Tausende von Demonstranten haben am Mittwoch das katalanische
Autonomieparlament in Barcelona blockiert, um gegen den Sparhaushalt für
das kommende Jahr zu protestieren. Obwohl die Polizei immer wieder mit
Schlagstöcken und Gummigeschossen gegen die meist friedlichen Sitzblockaden
vorging und dabei selbst Warnschüsse in die Luft abgab, gelangte die Hälfte
der 135 Autonomie-Abgeordneten in den Sitzungssaal. Der Chef der
katalanischen Regierung, der Generalitat, Artur Mas, sowie 23 weitere
Mitglieder der Regierung und Sprecher der verschiedenen
Parlamentsfraktionen wurden per Hubschrauber eingeflogen. Sie landeten in
einem benachbarten Park, der bereits seit Dienstag von der Polizei
hermetisch abgeriegelt worden war. Ursprünglich wollten die Demonstranten
dort übernachten. Stattdessen verweilten rund 5.000 Menschen die ganze
Nacht auf den anliegenden Straßen.
Tagsüber wuchs die Demonstration ständig an. Die Bediensteten sowie ein
Teil der Abgeordneten wurden im Polizeikonvoi ins Parlament gebracht. Die
wenigen Politiker, die sich zu Fuß auf den Weg machten, wurden ausgebuht,
einige - unter ihnen ein ehemaliger Innenminister Kataloniens - mit Farbe
beschmiert. "Sie repräsentieren uns nicht", riefen die Demonstranten immer
wieder.
Der Haushalt sieht schwere Einschnitte vor, um das Defizit Kataloniens von
derzeit 3,9 Prozent auf 3 Prozent zu senken. Die schwersten Einschnitte
finden im Gesundheits- und Bildungswesen statt. Tausende von
Teilzeitkräften in den Krankenhäusern sollen entlassen werden. 3.000
Lehrern droht dasselbe Schicksal. Operationssäle werden geschlossen, Betten
abgebaut, die Wartezeit bei nicht dringenden Operationen auf acht Monate
erhöht. Schulen und Universitäten werden künftig zwischen 20 und 35 Prozent
weniger Geld haben, um die Kosten für Unterricht, Material und
Instandhaltung zu bestreiten.
Gleichzeitig plant die Autonomieregierung ein Gesetz, das mit einer
einzigen Abstimmung 80 andere Bestimmungen reformiert. Unter anderem sollen
künftig Immigranten erst nach sechs Monaten im Land das Recht auf freien
Arztbesuch haben, die Trinkwasserversorgung und das Gesundheitssystem
sollen weitgehend privatisiert, die Erbschaftssteuer für Unternehmer
abgeschafft werden.
## Tagesordnung umgeschmissen
Die anwesenden Parlamentarier beschlossen, die Tagesordnung umzuschmeißen
und sofort zur Haushaltsdebatte überzugehen. Der Haushalt wird - das gilt
als sicher - mit den Stimmen der regierenden nationalistischen Convergència
i Unió (CiU) dank der Enthaltung der konservativen Partido Popular (PP)
angenommen werden.
Auch in Madrid ging die Bewegung 15 M - so benannt nach den Demonstrationen
unter dem Motto "Echte Demokratie jetzt!" am 15. Mai - am Mittwoch zur
direkten Aktion über. Mehr als 1.000 Demonstranten verhinderten die
Zwangsräumung einer Familie, die den Kredit für ihre Wohnung nicht mehr
bezahlen kann. Gerufen hatte eine "Gemeinschaft der von Hypotheken
Geschädigten" (PAH), die dem Bündnis "Echte Demokratie jetzt!" angehört.
15.491 Familien wurden in den ersten drei Monaten diesen Jahres von den
Banken aus ihren Wohnungen geklagt. "Das sind 36,6 Prozent mehr als im
gleichen Zeitraum des Vorjahres", erklärt die Sprecherin der PAH, Aida
Quinatoa. Die Immigrantin aus Ecuador berichtet von "betrügerischen
Machenschaften der Banken". So wurde vielen Einwohnern ein Wohnungskredit
ohne jegliches Eigenkapital zugestanden. "Dafür ist ein Bürge nötig. Die
Banken stellten diesen selbst", erklärt Quinatoa. Wird gepfändet, schützt
die Bank ihre Scheinbürgen und setzt die Betroffenen an die Luft.
15 Jun 2011
## AUTOREN
Reiner Wandler
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