# taz.de -- Merkels unsoziale Energiewende: Die Mieter werden zur Kasse gebeten | |
> Merkel will auf Kosten von Mietern und Ländern Energiesparen: durch | |
> Gebäudesanierung. Doch jetzt wehren sich Länder und Kommunen. Gegen | |
> Einnahmeausfälle. Und gegen höhere Mieten. | |
Bild: Gut gedämmt ist halb geheizt. Doch wer soll für die Kosten aufkommen? | |
BERLIN dpa/taz | Die Energiewende könnte für die Bundesregierung teurer | |
werden als bisher geplant: Bundesländer und Kommunen wollen in der | |
Bundesratssitzung am Freitag fordern, dass der Bund die Kosten für die | |
steuerliche Förderung der Gebäudesanierung komplett übernimmt. | |
Das beschlossen die Bundesratsausschüsse für Finanzen, Umwelt, Wirtschaft | |
und Bau in einer gemeinsamen Erklärung. Sie begründen das damit, dass die | |
Länder durch die Schuldenbremse erhöhtem Druck ausgesetzt seien - bis 2020 | |
müssen sie ohne jegliche strukturelle Kreditaufnahme auskommen. | |
Die Gebäudesanierung ist für die Bundesregierung entscheidend, um den | |
Energieverbrauch zu senken und so den Atomausstieg abzufedern. Nach den | |
bisherigen Plänen sollen Immobilienbesitzer Aufwendungen für | |
Energiesparmaßnahmen an Gebäuden zu 10 Prozent von der Steuer absetzen | |
dürfen. Das Bundesfinanzministerium schätzt, dass dadurch in den nächsten | |
zehn Jahren insgesamt rund 1,5 Milliarden Euro weniger Steuern eingenommen | |
würden. Der größte Teil davon, fast 900 Millionen Euro, entfiele auf Länder | |
und Kommunen. Begründet hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die | |
Entlastung der Hausbesitzer damit, dass diese sich "aus freiem Willen" für | |
Energiesparmaßnahmen entscheiden sollten; die Regierung setze auf Anreize, | |
nicht auf Zwang. | |
## Mietrechtsreform zulasten der Mieter | |
Das gilt nicht für die Mieter. Parallel zum Gesetz zur Gebäudesanierung | |
soll eine Mietrechtsreform vorangetrieben werden. Danach sollen Mieter | |
während der ersten drei Monate einer energetischen Sanierung nicht mehr die | |
Miete kürzen, Vermieter aber 11 Prozent der Kosten auf die Jahresmiete | |
aufschlagen dürfen. | |
Der Gesetzentwurf zur energetischen Gebäudesanierung ist einer von | |
insgesamt acht Vorlagen, die die Bundesregierung zur Energiepolitik | |
beschlossen hat. Ziel ist es, dass jährlich 2 Prozent des Gebäudebestandes | |
saniert werden. Dazu motiviert werden sollen die Immobilienbesitzer nicht | |
nur durch die Steuerersparnis, sondern auch durch eine Aufstockung der | |
Mittel für die Sanierung: 2012 bis 2014 sollen sie auf jeweils ca. 1,5 | |
Milliarden Euro angehoben werden. | |
## Zustimmungspflichtiges Gesetz | |
Anders als die übrigen Teile des Energiepakets ist dieser | |
zustimmungspflichtig. Da Union und FDP im Bundesrat keine eigene Mehrheit | |
mehr haben, werden sich die Länder vermutlich durchsetzen. | |
Der Direktor des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, forderte Bund | |
und Länder auf, den Streit nicht "auf dem Rücken der Betroffenen" | |
auszutragen. Zudem reiche die anvisierte Summe überhaupt nicht aus. Für die | |
Vermieter beliefen sich die notwendigen Investitionen schnell auf eine | |
sechsstellige Summe für ein Mehrfamilienhaus. Um bis 2050 in Deutschland zu | |
einem klimaneutralen Wohnen zu kommen, seien etwa 5 Milliarden Euro nötig. | |
Nach Prognosen des Verbandes könnte die Kaltmiete etwa für eine 60 | |
Quadratmeter große Wohnung durch die energetische Sanierung um 100 Euro | |
monatlich steigen. Umstritten ist, ob Einsparungen am Energieverbrauch | |
diese Mehrkosten ausgleichen können. Während man beim Mieterverband davon | |
ausgeht, dass sich die Sanierung bei den Energiekosten "kaum bemerkbar" | |
macht, schätzt die Deutsche Energieagentur, dass bis zu 75 Prozent weniger | |
Energie nötig sein wird, um ein saniertes Haus zu beheizen. Dann bliebe die | |
Warmmiete auf einem ähnlichen Niveau wie derzeit. | |
15 Jun 2011 | |
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