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# taz.de -- Rot-Grüner Koalitonsvertrag: Bremen bremst
> In Rekordtempo einigen sich Bremens SPD und Grüne aufs neue
> Regierungs-Programm. Es lautet: Sparen, sparen sowie eine Schulden- und
> Privatisierungsbremse in die Landesverfassung schreiben.
Bild: Das Bremer Loch ist eine Sparbüchse für Gemeinnütziges. Andere Haushal…
BREMEN taz | Schnell waren sie: Am 22. Mai hatten die BremerInnen gewählt,
am Sonntag drauf SPD und Grüne die Verhandlungen aufgenommen. Und nur 18
Kalender- und zwölf Werktage später, stellten sie am Donnerstag ihren neuen
Koalitionsvertrag vor.
Man habe eben "nicht bei Null anfangen müssen", so die Grünen-Vorsitzende
Susan Ella-Mittrenga. Wirklich war das Rekordtempo angesichts der
zurückliegenden, extrem harmonischen Legislatur so überraschend nicht.
Sogar das machtpolitische Konfliktpotenzial ließ sich offenbar schnell
beseitigen, auch wenn dafür laut SPD-Chef Andreas Bovenschulte
"sozialdemokratisches Herzblut" vergossen wurde.
Denn die Grünen stellen künftig drei von sieben SenatorInnen: Karoline
Linnert leitet weiterhin das Finanzressort, das war klar. Zudem wird
derzeit mit dem renommierten Hamburger Öko-Experten Joachim Lohse über die
Nachfolge des Umweltsenators Reinhard Loske verhandelt. Nach Einschätzung
der Kasseler Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen sitzt Lohse als
örtliche Bau- und Umweltdezernent "nicht fest im Sattel". Und aus
familiären Gründen hatte er einen Umzug von der Elbe an die Fulda erst im
Herbst geplant. Dass die dortige Politik des ehemaligen Geschäftsführers
des Öko-Instituts fast identisch mit der Bremer Linie Loskes ist, und dass
der wiederum gerade erst Lohses Verkehrsplaner Gunnar Polzin abgeworben
hatte, macht die Personalie zusätzlich plausibel. Außerdem aber übernimmt
mit Anja Stahmann die Bildungsexpertin und langjährige Vize der Bremer
Grünen-Fraktion die Sozialverwaltung.
Die lag bis dahin bei der SPD. Und zunächst hatten beide Seiten über eine
Vergrößerung des Senats nachgedacht. Das aber "wäre das völlig falsche
Signal gewesen", so Bovenschulte: Ein Bremer Senator verdient ohne Zulagen
derzeit 11.125 Euro monatlich, macht ohne Tarifsteigerungen und Urlaubsgeld
binnen vier Jahren eine halbe Million - "das hätte man niemandem vermitteln
können".
Wohl wahr: Manch einer beginnt ja schon fickrig zu werden, weil Loske trotz
angekündigtem Abschied bis zur Wahl seines Nachfolgers im Amt bleibt.
Problem: Weil die Parteitage erst kommende Woche den Vertragabsegnen,
findet die erst im Juli statt. Dadurch erwirbt Loske Anspruch auf die
vollen Monats-Bezüge und auf 900 zusätzliche Euro Altersversorgung. Ob sie
nicht darauf hinwirken könne, dass er den Schreibtisch früher räumt?, wird
Ella-Mittrenga gefragt. Darauf, sagt sie, habe sie "keinen Einfluss". Und
sie sehe keinen Anlass "einen Senator aus dem Amt zu jagen".
Nachvollziehbar wird die Aufregung, weil tatsächlich nichts den
Koalitionsvertrag mehr prägt, als der Spardruck: Bremen, mit 18 Milliarden
Euro verschuldet, hat sich gegen 2,7 Milliarden Euro
Konsolidierungsbeihilfen vom Bund verpflichtet, die Neuverschuldung von
derzeit 1,2 Milliarden binnen zehn Jahren auf Null zu bringen. Kontrolliert
wird das durch den Stabilitätsrat aus Bund und Ländern. Und folglich tastet
der Koalitionsvertrag unter der schönen Überschrift "Starke Wirtschaft,
ökologische Vernunft und sozialer Zusammenhalt" vor allem nach
Möglichkeiten, wie das ohne totalen Sozialabbau und mit ökologischen
Akzenten klappen könnte.
So hat man sich geeinigt, das Ausgabenniveau vier Jahre lang stagnieren zu
lassen. Pulverisiert hat sich folglich die SPD-Forderung nach der
Neueinstellung von 540 PolizistInnen: Dort und bei den Schulen soll der
Personalabbau nun bei nur 1,2, in der inneren Verwaltung hingegen bei 2,6
und im Durchschnitt bei 1,5 Prozent liegen. Um die Löcher nicht zu groß
werden zu lassen, wird die Lebensarbeitszeit verlängert. Einführen wird man
die so genannte Bettensteuer, und neu diskutieren das vor Jahren verworfene
Projekt einer Straßenreinigungsabgabe - "wir haben uns auf ein gutes
Mittelmaß verständigt", resümiert Ella-Mittrenga in - wohl unfreiwilliger -
Schonungslosigkeit.
Kostenneutral bleiben die markantesten Koalitions-Vorhaben. So will man die
Zweidrittelmehrheit in der Bürgerschaft dazu nutzen, eine Schuldenbremse in
die Landesverfassung eintragen - ein bis dahin noch stets abgeschmettertes
Projekt der CDU. Allerdings hat man vor, sie anders auszugestalten: So will
man prüfen ob sie sich um ein Einnahmeminderungsverbot erweitern ließe. Und
ganz sicher soll eine so genannte "Privatisierungsbremse" hinzukommen, die
den Verkauf von öffentlichen Einrichtungen der Daseinsvorsorge an einen
Volksentscheid bindet. Man wolle so "das Tafelsilber" sichern, so
Bovenschulte, "gerade gegenüber dem Bund".
16 Jun 2011
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Bremen
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