# taz.de -- Loveparade-Mahnmal in Duisburg: Eine Stadt kämpft gegen einen Mann | |
> Elf Monate nach der Katastrophe bei der Loveparade wird am Sonntag das | |
> Mahnmal enthüllt. Bürgermeister Adolf Sauerland wird nicht dabei sein. | |
Bild: Eine meterhohe Stahlplatte, die irgendwann mit rostiger Patina überzogen… | |
DUISBURG taz | Eine meterhohe Stahlplatte, die irgendwann mit rostiger | |
Patina überzogen sein wird. Davor 21 massive Metallstreben, die wie | |
überdimensionierte Streichhölzer durcheinandergewirbelt nach rechts | |
stürzen: Verkörpern sollen sie die 21 Toten der Loveparade, die am 24. Juli | |
2010 bei einer Massenpanik erdrückt wurden. "Sie kamen, um zu feiern, und | |
fanden den Tod", ist auf einer Glasplatte auf der Rückseite des Mahnmals zu | |
lesen. | |
"Die Streben symbolisieren die gefallenen, die gestürzten Menschen", sagt | |
der Duisburger Künstler Gerhard Losemann, der die Plastik geschaffen hat. | |
Das Chaos, die Hoffnung auf Flucht über die schmale Treppe am Ende des über | |
100 Meter langen Tunnels als einzigem Zugang zum Loveparade-Gelände habe er | |
wiedergeben wollen. | |
Schon eine Woche nach der Katastrophe hatten Bürger bei einem Trauermarsch | |
begonnen, Spenden für einen Ort der Erinnerung zu sammeln. "Wir wollten ein | |
Zeichen schaffen, das unser Mitgefühl für das schreckliche Leid der Opfer | |
und ihrer Angehörigen ausdrückt", sagt Hermann Kewitz, dessen Verein "Pro | |
Duisburg" für die Entstehung des Mahnmals gesorgt hat - am Sonntag wird es | |
offiziell eingeweiht. | |
Nicht dabei sein wird Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland. | |
Offiziell ist der Christdemokrat wegen der Verleihung des Musikpreises der | |
Stadt verhindert. Der oberste Repräsentant der Stadt kann sich schlicht | |
nicht blicken lassen: Ein Auftritt Sauerlands vor den Angehörigen der | |
Loveparade-Opfer würde vielen Duisburgern als unerhörte Provokation gelten: | |
Dass der 56-jährige ehemalige Berufsschullehrer auch elf Monate nach der | |
Katastrophe weiter im Rathaus sitzt, empört noch immer viele. | |
## Ein Ort der Erinnerung | |
Denn Sauerland will auch heute nicht geahnt haben, dass der enge Tunnel | |
unter Duisburgs ehemaligem Güterbahnhof, durch den sich vor elf Monaten | |
nach einem absurden "Sicherheitskonzept" hunderttausende Technofans zwängen | |
sollten, zur Todesfalle werden konnte -- vielleicht sogar musste. Schon | |
unmittelbar nach dem Desaster machte der Bürgermeister "individuelles | |
Fehlverhalten" Einzelner für die Katastrophe verantwortlich: Ein der Tod | |
der Raver sei ein "tragisches Unglück", dass aber niemand habe vorhersehen | |
können. | |
Dabei wollte Sauerland das Technoevent zur Imageverbesserug unbedingt in | |
seine graue, vom Niedergang von Kohle und Stahl gebeutelte und vor der | |
Pleite stehende Industriestadt holen. Sein Ordnungsdezernent Wolfgang Rabe | |
drückte die entsprechenden Genehmigungen durch, wischte dabei offenbar | |
Sicherheitsbedenken beiseite. Gegen Rabe ermittelt heute die | |
Staatsanwaltschaft. "Ein Ende der Ermittlungen ist nicht absehbar", sagt | |
deren Sprecher Detlef Nowotsch. | |
Sauerland selbst steht seit fast einem Jahr unter massivem Druck. | |
Unmittelbar nach der Katastrophe erhielt er Morddrohungen, musste seine | |
Familie verstecken. Die Angehörigen der Toten forderten ihn auf, "endlich | |
die politische und moralische Verantwortung zu übernehmen". Eine | |
Ratsmehrheit wollte seinen den Rücktritt - zumindest indirekt forderte den | |
auch Sauerlands Parteifreund, Bundespräsident Christian Wulff. Mitarbeiter | |
der Stadtverwaltung haben ihren Verwaltungschef ausgepfiffen, Bürger haben | |
ihn mit Ketchup bespritzt. "Sauerland spaltet die Stadt", sagt sein | |
politischer Gegenspieler, SPD-Ratsfraktionschef Herbert Mettler. | |
## Sauerland soll abtreten | |
Der Bürgermeister denkt trotzdem nicht an Rücktritt. "Das käme einem | |
Schuldeingeständnis gleich", argumentiert nicht nur sein Sprecher Josip | |
Sosic. Den von der Loveparade Traumatisierten reicht das nicht: In gleich | |
drei Petitionen fordern sie, wenigstens die Treppe, über die die Opfer der | |
tödlichen Enge entkommen wollten, zu erhalten. Denn dort, wo noch heute | |
Kerzen und Fotos an die Toten erinnern, könnte der Parkplatz eines | |
Möbelhauses entstehen - der alte Güterbahnhof soll überbaut werden, und das | |
von den Bürgern gestiftete Mahnmal steht nicht am Ort der Katastrophe, | |
sondern am Eingang der Tunnelröhre. | |
Die Duisburger versuchen deshalb weiter, ihren Bürgermeister loszuwerden. | |
Seit Anfang der Woche sammelt die Initiative "Neuanfang für Duisburg" | |
Stimmen für eine Abwahl des Stadtoberhaupts durch ein Bürgerbegehren - | |
möglich wurde das durch eine als "Lex Sauerland" kritisierte | |
Gesetzesänderung der rot-grünen NRW-Landesregierung, die Anfang Juni in | |
Kraft trat. "Die Duisburger stehen Schlange, um gegen Sauerland zu | |
unterschreiben", erzählt "Neuanfangs"-Mitinitiator Werner Hüsken: "Die | |
nötigen 52.000 Stimmen bekommen wir in jedem Fall zusammen." | |
24 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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Loveparade | |
Massenpanik | |
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