# taz.de -- Linke und rechte Gewalt: Auf Schläge folgen Brände | |
> Nach einer Prügelserie gegen NPD-Politiker verüben mutmaßlich | |
> Rechtsextreme Brandanschläge auf linke Hausprojekte. Innensenator | |
> befürchtet weitere Racheaktionen. | |
Bild: Abgebrannt: Kinder- und Jugendeinrichtung der Sozialistischen Jugend Deut… | |
In Berlin spitzt sich die Gewalt zwischen Autonomen und Neonazis zu. Nach | |
einer Serie von Prügelangriffen auf NPD-Politiker in den letzten Tagen | |
folgte nun offenbar die Retourkutsche: Mutmaßlich Rechtsextreme verübten in | |
der Nacht zu Montag Brandanschläge auf fünf alternative Hausprojekte. | |
Am frühen Montagmorgen zündeten Unbekannte im Prenzlauer Berg mit Papier | |
die Haustüren zweier linker Hausprojekte an, beim Bandito Rosso in der | |
Lottumstraße und dem Tuntenhaus in der Kastanienallee. Mieter löschten das | |
Feuer. Bereits kurz nach Mitternacht wurde eine Einrichtung des | |
sozialistischen Jugendvereins Die Falken im Neuköllner Ortsteil Britz | |
angezündet. Es entstanden schwere Beschädigungen, Mitarbeiter sprachen von | |
"hohem Sachschaden". | |
Auch in Kreuzberg wurde Feuer gelegt: Vor dem selbst verwalteten | |
Wohnprojekt Tommy Weisbecker Haus brannten ein Opel und ein Fiat aus. Beim | |
Antifa-Kleidungsladen Red Stuff wurde versucht, die Jalousien zu entzünden. | |
Dies misslang jedoch. Der Staatsschutz der Polizei ermittelt in allen | |
Fällen. | |
Den Brandanschlägen voran ging eine Serie von Prügelangriffen auf Berliner | |
NPD-Politiker. Innerhalb weniger Tage waren der Landeschef der | |
rechtsextremen Partei, Uwe Meenen, und zwei Neuköllner NPDler von | |
Vermummten zusammengeschlagen worden. Am Sonntagnachmittag wurde auch der | |
Exlandeschef der DVU, Torsten Meyer, heute bei den Rechtspopulisten von Pro | |
Deutschland, zum Opfer: Fünf junge Männer und Frauen beschimpften den | |
54-Jährigen an einem Wahlstand in Karlshorst und bewarfen ihn mit | |
Wasserbomben. Bei der Flucht warf einer der Angreifer eine Glasflasche, | |
Meyer erlitt eine Platzwunde am Bein. | |
Das Neonazi-Netzwerk Nationaler Widerstand Berlin (NW) hatte nach den | |
Angriffen in einer Rundmail einen Aufruf versandt: "Brecht den Terror der | |
Roten!". "Linke Lokalitäten" seien auf der Internetseite des NW zu finden, | |
hieß es weiter, "bewegt euren Arsch". Auf besagter Liste stehen mehrere der | |
jetzt angegriffenen Häuser. Karsten Thiemann von den Falken berichtete, | |
dass ihn erst kürzlich die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus gewarnt | |
habe, als "bevorzugtes Ziel" der Neonazis im Internet genannt worden zu | |
sein. Als zentraler Kopf des NW Berlin gilt NPD-Landesvize Sebastian | |
Schmidtke. Die NW-Homepage wurde im Mai von der Bundesprüfstelle für | |
jugendgefährdende Medien indiziert. | |
Die Polizei prüfte am Montag Zusammenhänge zwischen den Brandanschlägen und | |
den Angriffen auf die NPDler. Die NPD teilte mit, bei dem Angriff auf ihren | |
Neuköllner BVV-Abgeordneten Jan Sturm dank Anwohnern und den | |
"Rechercheergebnissen nationaler Aktivisten" zwei Angreifer identifiziert | |
und die Namen der Polizei übermittelt zu haben. Die Polizei wollte dies mit | |
Verweis auf laufende Ermittlungen nicht kommentieren. | |
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) verurteilte die Gewalttaten. Die | |
jetzigen Auseinandersetzungen zwischen Links- und Rechtsextremisten seien | |
"kein neues Phänomen", wohl aber gebe es eine erhöhte Gewaltbereitschaft | |
einzelner Gruppen. Die Brandanschläge wertete Körting als "Racheakte" der | |
rechten Szene, weitere Vergeltungsaktionen zwischen beiden Lagern seien zu | |
befürchten. Die Polizei werde deshalb als "kritisch eingestufte | |
Parteiwahlstände" mit höherer Präsenz schützen, so Körting. Ziel sei es, | |
ein weiteres Aufschaukeln der Gewalt zu verhindern. | |
Auch Linkspartei-Fraktionschef Udo Wolf verurteilte die Gewalteskalation: | |
"Mit Gewalt sind keine politischen Ziele zu erreichen." Gerade | |
Antifaschisten müsse die Friedlichkeit der Mittel von denen unterscheiden, | |
gegen die sich engagierten. SPD-Fraktionschef Michael Müller nannte den | |
Brandanschlag auf das Falken-Haus eine Tat, die "an Feigheit und | |
Niederträchtigkeit nicht zu überbieten" sei. Gewalttätern vom rechten Rand | |
dürfe "kein Quadratzentimeter der Stadt überlassen" werden. | |
Als Reaktion auf die Brandanschläge plant die linke Szene für | |
Dienstagabend, 19 Uhr, eine Demonstration in Kreuzberg. Der Aufzug soll | |
unter dem Motto "Gegen Naziterror, linke Strukturen verteidigen" vom | |
Heinrichplatz zum Tommy-Weisbecker-Haus führen. | |
27 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
Konrad Litschko | |
## TAGS | |
Berlin-Neukölln | |
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