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# taz.de -- Mit Finance Watch gegen Banken-Abzocke: Bürger wollen Durchblick
> Bisher hatte die Bankenlobby in Brüssel kaum einen adäquaten Gegner. Das
> soll sich mit "Finance Watch" ändern. Die Organisation ist wie
> Greenpeace, nur ohne Schlauchboote.
Bild: Nicht nur bei Diamanten-Geschäften will Finance Watch die Banken künfti…
BRÜSSEL taz | 2.000 Änderungsanträge gab es, als im Europäischen Parlament
über die Richtlinie zur Regulierung von Hedgefonds abgestimmt wurde. 2.000
Anträge, die zwar von verschiedenen Abgeordneten eingebracht wurden, aber
teilweise wortwörtlich übereinstimmten. "Das ist ein Indiz dafür, dass
diese Anträge nicht von den Abgeordneten selber kamen, sondern von
Lobbyisten", sagt der Europaabgeordnete Sven Giegold von Bündnis90/Grüne,
der für seine Partei im Sonderausschuss zur Finanz-, Wirtschafts- und
Sozialkrise sitzt und sich um eine bessere Regulierung der Finanzmärkte
bemüht.
Aber das ist schwierig, denn die Bereitschaft der Politiker, tatsächlich
etwas am System zu ändern, lässt nach. Gleichzeitig tut die Bankenlobby
alles, um eine Einschränkung ihrer Geschäfte zu verhindern.
Die Regulierung der Hedgefonds, die mit ihren ungesicherten und
risikoreichen Geschäften die Finanzkrise mitverursacht haben, ist ein gutes
Beispiel: Ursprünglich hatten die europäischen Gesetzgeber vor, das Wirken
der "Heuschrecken" zu begrenzen und sie in Zukunft besser zu kontrollieren.
Die Bankenlobbyisten haben es geschafft, die zusätzliche Kontrolle zu
verhindern. Die Fonds müssen sich nun lediglich registrieren lassen. Wie
sie arbeiten, bleibt ihnen überlassen.
Während die Steuerzahler für die Fehler der Banken und Finanzdienstleister
zahlen, können die weiterspekulieren. Dass sich das ändert, ist das Ziel
von Finance Watch, einer neuen Nichtregierungsorganisation. Über 50
Verbände und Einzelpersonen treffen sich heute in Brüssel zur Gründung des
"Greenpeace der Finanzwelt".
## Lobby für den Bürger
"Wir wollen die Interessen der Bürger vertreten und den EU-Abgeordneten
gute Gegenargumente liefern, wenn die Banken zum Beispiel behaupten, eine
zu starke Regulierung des Finanzmarktes würde zum Verlust von
Arbeitsplätzen führen", sagt Thierry Philipponnat.
Der Franzose hat selbst zwanzig Jahre für eine Bank gearbeitet, war dann
bei Amnesty International und arbeitet seit sechs Monaten am Aufbau von
Finance Watch.
Die NGO soll keine Massenorganisation werden, Philipponnat sieht dennoch
Parallelen zu Greenpeace: "Wir werden sicherlich nicht mit Schlauchbooten
über die Weltmeere fahren. Das müssen wir aber auch nicht. Was zählt, ist
unser Fachwissen und die Tatsache, dass wir Missstände öffentlich machen
können. Genau das tut Greenpeace auch."
Die Gründung von Finance Watch geht auf einen Aufruf von Abgeordneten aus
dem Europäischen Parlament zurück, den inzwischen über 200 Volksvertreter,
auch aus nationalen und regionalen Parlamenten, unterstützen.
## Die Banken machen einfach weiter
"Es kann nicht sein, dass die Bürger sparen müssen und immer mehr zahlen,
während die Banken wieder so arbeiten, als wäre nichts passiert", sagt
Philipponnat.
Die Zahlen sprechen für sich: Griechenland steht vor dem Bankrott, und die
Banken, die jahrelang an griechischen Anleihen verdient haben, wollten sich
nicht an der Rettung beteiligen.
Irland hat um Hilfe aus dem EU-Rettungsfonds gebeten und sperrt sich
gleichzeitig dagegen, das Steuerdumping abzuschaffen. In Irland zahlen
Unternehmen 12,5 Prozent Steuern – nur in Zypern und in Bulgarien zahlen
sie noch weniger.
In Deutschland haben marode Banken mehr als 65 Milliarden Euro
Unterstützung vom Staat erhalten. Gleichzeitig erhalten die Banker
Millionen-Boni. Die Staatsschulden von Großbritannien sind um 50 Prozent
höher als vor der Krise, was zu heftigen Etatkürzungen bei Universitäten
und sozialen Einrichtungen führte.
Philipponnat schätzt, dass es mindestens noch 20 Jahre dauern wird, die
Schulden, die durch die Krise entstanden sind, wieder zu eliminieren.
Gleichzeitig bekommen Banker riesige Gehälter. Dass Finance Watch gebraucht
wird, hat Philipponnat auch an den Reaktionen gesehen: Gleich am ersten Tag
nach Arbeitsbeginn habe er innerhalb weniger Stunden über 300 E-Mails von
Interessierten bekommen.
Zu den Gründungsmitgliedern gehört auch der europäische Verbraucherverband
Beuc. Die Vorsitzende Monique Goyens sagt, sie sei auf das Fachwissen der
Finanzexperten angewiesen.
## Mehr Durchblick
"In Brüssel wird über so komplizierte Gesetze diskutiert, dass es für uns
als allgemeiner Verbraucherverband oft unmöglich ist, alles zu
durchschauen. Wir hoffen, dass sich das mit der Unterstützung von Finance
Watch ändert."
Zwar werden bei der NGO zunächst nur zwölf Mitarbeiter tätig sein, aber
Thierry Philipponnat ist zuversichtlich: "Wir werden den Banken gehörig auf
die Nerven gehen.
Mich haben schon Bankenlobbyisten kontaktiert und mir gesagt, dass sie sich
jetzt wohl bessere Argumente als bisher überlegen müssen."
Philipponnats großes Ziel ist, dass die Finanzwirtschaft eines Tages wieder
der Gesellschaft dient und nicht umgekehrt. Mit Finance Watch will er einen
kleinen Beitrag dazu leisten. Finanziert wird die NGO zum größten Teil von
Stiftungen, Privatpersonen, höchstwahrscheinlich aber auch von der
EU-Kommission.
Die Beiträge der Mitglieder machen nur zwei Prozent des Jahresbudgets von
rund zwei Millionen Euro aus.
30 Jun 2011
## AUTOREN
Ruth Reichstein
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