# taz.de -- Kommentar Bahnprotest in Italien: Infrastrukturelle Fehlentscheidung | |
> Trotz täglichem Chaos setzen italienische Politiker auf Autos und Lkw. | |
> Auch die Hochgeschwindigkeitstrasse durch das Susa-Tal bedeutet keine | |
> Abkehr von dieser Politik. | |
Bild: Trotz Pauken und Trompeten – der Protest gegen die Hochgeschwindigkeits… | |
Italien hat enorme infrastrukturelle Defizite. Eine | |
Drei-Millionen-Einwohner-Stadt wie Rom hat ein U-Bahn-Netz, das jeder | |
Beschreibung spottet. Ein Reise in den Süden des Landes wird immer wieder | |
zur Tortur – egal ob man sie mit dem Auto antritt oder lieber den Zug | |
nimmt. Alle großen Städte ersticken im Verkehr. Und Verkehr heißt in | |
Italien: das Auto. Und bei Gütern praktisch immer: der Lkw. | |
Für neue U-Bahn-Linien, für einen Ausbau auch nur der Radwege in den | |
Städten, ist - so heißt es immer wieder - "leider kein Geld da".Geld | |
reichlich dagegen soll in einige wenige Großprojekte fließen. Da ist zum | |
Beispiel die Brücke von Messina, die Sizilien ans Festland anbinden und | |
schlappe sechs Milliarden Euro kosten soll. | |
Und da ist die Bahnstrecke Turin-Lyon. Auf ihr werden einmal, sollte sie je | |
fertig werden, halbleere Hochgeschwindigkeitszüge brausen. Das Problem | |
Italiens, mit der "Modernität" Schritt zu halten, werden sie nicht lösen. | |
Auf den wirklich entscheidenden Verkehrsachsen macht Italien schier gar | |
nichts dafür, die Verlagerung des Gütertransports von der Straße auf die | |
Schiene durchzusetzen. | |
Während das Gros des Gütertransports Richtung Schweiz und Österreich auf | |
hunderttausenden Lkws abgewickelt wird und die Regierung beim Ausbau | |
ökologisch sinnvoller Verkehrsnetze um Jahre hinterherhinkt, soll | |
ausgerechnet der Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecke durchs völlig | |
drittrangige Susa-Tal neue Wege in der Verkehrspolitik öffnen. | |
Ein Witz. Mehr noch: ein schlechter Witz. | |
Sind solche Megaprojekte aber erst einmal angeschoben, ist es äußerst | |
schwer, wieder aus ihnen auszusteigen. Das lehrt auch Stuttgart 21. | |
Dennoch wäre Italiens Regierung gut beraten, die Bauarbeiten einzustellen. | |
Nicht um vor dem Protest "einzuknicken", sondern um die Zukunftschancen des | |
Landes zu wahren. | |
4 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
## TAGS | |
Bahnstrecke | |
Schwerpunkt Stuttgart 21 | |
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