# taz.de -- Ethnische Spannungen: Strauss-Kahn-Affäre entzweit Guineer | |
> Die US-Zweifel am mutmaßlichen Vergewaltigungsopfer Nafissatou Diallo | |
> eröffnen Streit in ihrer Heimat Guinea: Ihre Peul-Ethnie ist in der | |
> Opposition. | |
Bild: Dominique Strauss-Kahn durfte am 1. Juli wieder an die frische Luft, zusa… | |
BERLIN taz | Dominique Strauss-Kahn ist aus dem Hausarrest entlassen, sein | |
mutmaßliches Vergewaltigungsopfer Nafissatou Diallo aus Guinea steht als | |
Lügnerin da. Guineas Präsident Alpha Condé drückte die allgemeine | |
Überraschtheit unter Guineern darüber am Wochenende am deutlichsten aus: | |
Für Strauss-Kahn, seinen Genossen in der Sozialistischen Internationale, | |
sei er "froh", sagte der Staatschef; für Nafissatou Diallo, seine | |
Landsmännin, sei er "traurig". | |
In manchen afrikanischen Diskussionen wird jetzt die Feststellung laut, nun | |
sehe man es mal wieder: Eine einfache Schwarze ziehe gegenüber einem | |
mächtigen Weißen den Kürzeren. Makalé Traoré, Präsidentin des Verbandes | |
guineischer Ministerinnen und Parlamentarierinnen, erklärt sich "enttäuscht | |
und tief schockiert" über Strauss-Kahns Freilassung und sagte, sie fürchte | |
nun eine Hexenjagd auf Diallo: Strauss-Kahn "ist nicht irgendwer". | |
Eine "Umkehr der Kräfteverhältnisse", konstatiert Fodé Mohamed Soumah, | |
Präsident der guineischen Oppositionspartei "Génération Citoyenne", und | |
betont: "Nafissatou hat ihre Angaben nicht verändert, und die Anklage ist | |
nicht fallengelassen worden." Weiter heißt es: "Wir wissen, dass bei | |
Asylanträgen oft gutgemeinte Lügen eingesetzt werden." | |
## Einvernehmlich oder erzwungen? | |
Die New Yorker Staatsanwaltschaft hatte Strauss-Kahn aus dem Hausarrest | |
entlassen, nachdem sie laut New York Times herausgefunden hatte, dass | |
Nafissatou Diallo nach der mutmaßlichen Vergewaltigung mit einem | |
inhaftierten Drogenhändler über mögliche finanzielle Vorteile aus der | |
Affäre telefoniert haben soll. Ferner habe Diallo in ihrem - erfolgreichen | |
- Asylantrag im Jahr 2004 andere Angaben zu ihrer Vergangenheit gemacht als | |
jetzt gegenüber den Ermittlern. | |
Unklar bleibt, was all dies zur Klärung der Frage beiträgt, ob der von | |
keiner Seite bestrittene Geschlechtsverkehr zwischen Diallo und | |
Strauss-Kahn im Hotelzimmer am 14. Mai einvernehmlich oder erzwungen | |
gewesen ist. Die Diskussion geht so weit, dass Diallos Anwalt droht, Fotos | |
ihrer Geschlechtsorgane zu veröffentlichen. | |
Der Vorwurf der finanziellen Vorteilsnahme wiegt dennoch schwer. Der New | |
York Times zufolge sagte Diallo am Telefon zu ihrem Gesprächspartner: "Mach | |
dir keine Sorgen, der Typ hat viel Geld, ich weiß, was ich tue." Das | |
allerdings beweist nicht, dass es Diallo um Geld ging, sondern höchstens, | |
dass sie mit jemandem sprach, der in der Affäre Geld witterte. | |
Die guineische Internetzeitung Guinéenews identifiziert den Häftling als | |
Mamadu Jallow aus Gambia, ein Kleinhändler in den USA und Diallos | |
Verlobter. Seine Familie in Gambia habe bereits Diallos Familie in Guinea | |
entsprechende Geschenke gemacht. Jallow habe die "Naivität" Diallos | |
ausgenutzt, "um ihren Namen bei der Verwaltung von Bank- und | |
Mobilfunkkonten einzusetzen". Er sitze in Arizona im Gefängnis, nachdem er | |
mit 180 Kilo Rauschgift aufgegriffen wurde. | |
## "Peul lügt immt" | |
Jallow und Diallo sind die englische und französische Umschreibung | |
desselben Namens, einer der gebräuchlichsten der Peul-Ethnie, die in Teilen | |
Westafrikas den Handel beherrscht. | |
So erhält die neue Diskussion über Diallos Glaubwürdigkeit eine ethnische | |
Dimension. In Berichten aus der guineischen Diaspora in den USA verteidigen | |
die einen Diallo mit dem Argument, Peul könnten nicht lügen, und andere | |
kontern, Peul würden immer lügen und daher könne man Diallo sowieso nicht | |
glauben. Die Gefahr ist nun, dass die Affäre Strauss-Kahn Guineas ethnische | |
Spannungen anheizt. | |
Im November 2010, bei den ersten freien Wahlen in Guinea seit der | |
Unabhängigkeit 1958, hatte Peul-Kandidat Cellou Dallein Diallo knapp gegen | |
Alpha Condé von der Malinke-Ethnie verloren, obwohl im ersten Wahlgang | |
Diallo weit vorn gelegen hatte. Es kam daraufhin zu blutigen ethnischen | |
Unruhen. Oppositionschef Cellou Dallein Diallo kommt aus derselben Region | |
Labé wie Nafissatou Diallo. | |
Bereits nach Strauss-Kahns Verhaftung im Mai behauptete die | |
US-Frauenvertreterin von Condés Partei RPG (Sammlung des guineischen | |
Volkes), Sano Doussou Condé: "Nafissatou wurde von ihrem Umfeld | |
manipuliert." Diallos Verwandte sagten dazu, Alpha Condé habe in seinen | |
Jahrzehnten des Exils und der politischen Verfolgung die Solidarität der | |
französischen Sozialisten genossen, Strauss-Kahns politische Heimat. | |
5 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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Guinea | |
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Dominique Strauss-Kahn | |
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