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# taz.de -- Debatte in Frankreich um Strauss-Kahn: "Ein guter Kandidat"
> Kehrt Dominique Strauss-Kahn in die französische Politik zurück? Die
> Sozialisten wollen für ihn sogar die Anmeldefrist für eine Kandidatur
> verlängern.
Bild: Plötzlich wieder ein gefragter Mann: Dominique Strauss-Kahn.
PARIS taz | Für Ex-IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn hat sich seit Freitag
die Lage radikal verändert. Die guineische Hotelangestellte, die ihn der
Vergewaltigung beschuldigt, steht nun selbst am Pranger, weil sie die
Staatsanwaltschaft mehrfach belogen haben soll. In der US-Boulevardpresse
wird sie gar als "Hure" beschimpft.
Schon die ersten Risse in der Argumentation und der Glaubwürdigkeit der
Anklage haben genügt, um in Frankreich all diejenigen in ihrer Meinung zu
bestätigen, die nie an Strauss-Kahns Schuld geglaubt haben. Und das war
laut Umfragen von Beginn an eine Mehrheit. Da jetzt anscheinend in New York
alles sehr schnell gehen soll, wartet man in Frankreich auf die offenbar
logische Fortsetzung: die Einstellung des Verfahrens und die
Rehabilitierung des zurzeit weiterhin eines Sexualverbrechens beschuldigten
Strauss-Kahn.
Nach der Überraschung vom Freitag stellten seine Landsleute sofort die
Frage: Kommt Strauss-Kahn in die französische Politik zurück? Als wäre
nichts gewesen? Gar als Märtyrer und Opfer der amerikanischen Justiz?
Laut einer Umfrage im Auftrag der Zeitung Le Parisien sprechen sich 49
Prozent für ein schnelles Comeback von DSK in die französische Politik aus,
immerhin 43 Prozent sind dagegen. Das beweist auch, dass seine Popularität
doch ein wenig angekratzt ist, auch wenn sein Image vielleicht nicht "einen
irreversiblen und irreparablen Schaden" erlitten hat, wie französische
Medien noch unlängst meinten.
Vor sieben Wochen, vor seiner Verhaftung am 14. Mai in New York, hätten ihn
bis zu 60 Prozent bereits als nächsten Staatspräsidenten und Nachfolger von
Nicolas Sarkozy betrachtet. Er galt als haushoher Favorit für die
Präsidentschaftswahlen von Mai 2012. Dies erklärte auch den Schock in der
französischen Öffentlichkeit, als DSK vor Kameras Mitte Mai in Handschellen
abgeführt wurde. Diese Bilder sind nicht vergessen.
## Genosse Dominique
Überrumpelt wurden die sozialistischen Parteikollegen von Strauss-Kahn
durch die Wende in diesem Verfahren. Die meisten hatten gerade begonnen,
sich damit abzufinden, dass die Präsidentschaftswahlen ohne ihren mit
Abstand aussichtsreichsten Anwärter stattfinden würden. An Lückenbüßern,
die an seiner Stelle kandidieren möchten, mangelte es zwar nicht. Schon vor
der Verhaftung von DSK machten ihm, allerdings ohne große Chancen, vier
Konkurrenten die Nominierung für die auf Oktober angesetzten Vorwahlen
streitig.
Nur weil DSK nicht mehr in der Lage schien, an dieser internen Kür
teilzunehmen, stieg zudem die sozialistische Parteichefin Martine Aubry ins
Rennen. Eigentlich wollte sie ja ihren Genossen Dominique unterstützen. Nur
drei Tage nach der Ankündigung ihrer Kandidatur bei den Vorwahlen muss sie
sich jetzt fragen, ob sie nicht besser damit gewartet hätte.
Theoretisch läuft bei den Sozialisten am 13. Juli die Frist zur Anmeldung
einer Kandidatur bei diesen Vorwahlen aus. "Er wäre ein guter Kandidat",
sagte der frühere sozialistische Kulturminister Jack Lang am Wochenende.
Aber will Strauss-Kahn überhaupt kandidieren? Selbst seine engsten
Mitarbeiter, die noch Anfang Mai mit ihm seine Präsidentschaftskampagne
vorbereitet hatten, wissen das nicht. Jean-Christophe Cambadélis oder
Pierre Moscovici zum Beispiel meinen, es sei "zu früh" für dieses Thema.
Noch gehe es in New York "um die Freiheit und die Ehre" ihres Freunds DSK.
"Ich glaube nicht, dass Dominique nun kommt und sagt: 'Räumt das Feld für
mich', das entspricht nicht seinem Stil. Und ehrlich, ich glaube, wenn er
reingewaschen wird, will er bestimmt zunächst mit seiner Familie zusammen
sein und sich erholen", sagte ein Getreuer im Journal du Dimanche. Ein
anderer wandte eher unwirsch ein: "Wir wissen nicht, was seine zeitlichen
Pläne sind, und nicht, wie die öffentliche Meinung reagiert. Hören wir also
auf zu spekulieren!"
In die immense Erleichterung über die positive Wende mischt sich bei
Strauss-Kahns Parteikollegen nicht nur Bitterkeit über den vielleicht nie
wieder gutzumachenden politischen Schaden, sondern oft Verlegenheit. Diese
hängt nicht nur mit den Terminproblemen der Vorwahlen zusammen, sondern
auch mit Charakterzügen von DSK, die weniger publik waren. François
Hollande, der neben Aubry die besten Aussichten auf die Nominierung hatte,
solange DSK nicht mehr im Rennen war, sagte, die Frist zur Einreichung der
Kandidaturen könne bis Ende August verlängert werden, um DSK eine Chance zu
lassen. Nur am Termin der Vorwahlen, an denen erstmals neben Mitgliedern
auch Sympathisanten teilnehmen dürfen, will Hollande festhalten.
An ein späteres Comeback von Strauss-Kahn glaubt der Pariser Politologe
Stéphane Rozès. Voraussetzung sei aber, dass dieser seinen Landsleuten
"seine Version" erzähle. Das katholische Frankreich sei "bereit zu
vergeben, wenn es zuvor eine Beichte gibt". Und da Frankreich nicht
puritanisch wie die USA sei, werde ein bloßer sittlicher Fehltritt oder ein
Seitensprung durchaus toleriert. Auch bei einem Politiker.
3 Jul 2011
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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