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# taz.de -- taz-Serie Berliner Bezrike (2): Pankow: Der Titelverteidiger
> Noch nie ist in Pankow ein Bezirksbürgermeister wiedergewählt worden. Der
> derzeitige Amtsinhaber Matthias Köhne (SPD) will das ändern. Doch sein
> grüner, ebenso ambitiöser Herausforderer Jens-Holger Kirchner ist mit der
> Ekelliste bereits bundesweit bekannt geworden.
Bild: Fast-schon-Stadtrand-Idylle in Pankow-Weißensee.
Ein Projekt hat Matthias Köhne vielleicht nicht, aber eine Meinung. Auf
seiner Internetseite kann der Pankower Wähler nachlesen, was sein
Bezirksbürgermeister mag - und was nicht. Nicht so gut leiden mag der
SPD-Politiker den Roman "Die Habenichtse", für den Katharina Hacker 2006
den Deutschen Buchpreis bekam. Umso mehr erwärmt sich Köhne für Alexander
Osangs Prenzlauer Berg-Roman "Königstorkinder". Der Plot ist schnell
erzählt: Erfolgloser Ossi trifft auf Zuzüglerin aus München - und bleibt
der Sympathieträger. "Das Personal des Romans", sagt Matthias Köhne und
lächelt vielsagend, "läuft einem hier jeden Tag über den Weg."
"Hier", das ist für Matthias Köhne das Pankower Rathaus. Seit 2006 ist der
45-Jährige Hausherr im prunkvollen Jugendstilbau, seine Wohnung hat er um
die Ecke bezogen. Dass ein Prenzlauer Berg-Roman inzwischen auch in
Alt-Pankow spielen könnte, hat sich herumgesprochen. Ein bisschen wirkt die
Florastraße zwischen den Bahnhöfen Pankow und Wollankstraße wie die
Kastanienallee in den Neunzigern.
Matthias Köhne ist das nicht unrecht. Das frische Pankow steht für
Aufbruch, Dynamik, Kreativität. Das andere, das alte Pankow, das rund um
das Rathaus längst nicht verschwunden ist, trägt mausgraue Jacken und
Helmut-Schmidt-Mützen. Es ist das Pankow der alternden DDR-Würdenträger.
Matthias Köhne ist jung und kommt aus dem Westen. Geboren ist er zwar nicht
in München, wie Alexander Osangs Romanheldin. Itzehoe tut es zur Not aber
auch.
Man muss sich Matthias Köhne auf literarischen oder geografischen Pfaden
wie diesen nähern, weil es keinen Matthias Köhne gäbe, an dessen Markenkern
man kratzen könnte oder auch nicht. Heinz Buschkowsky, der
SPD-Bezirksbürgermeister von Neukölln, ist eine solche Marke oder auch
Franz Schulz, der grüne Schultes von Friedrichshain-Kreuzberg. Matthias
Köhne dagegen ist bislang weder in seiner Partei aufgefallen, noch hat er
sich in Pankow über die Bezirkspolitik hinaus einen Namen gemacht. Dennoch
hat er sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: "Ich will der erste
Bezirksbürgermeister in Pankow sein, der sein Amt bei einer Wahl
verteidigt."
Tatsächlich ist Pankow ein politisches Bäumchen-wechsel-dich. Erster
Bürgermeister des nach der Bezirksfusion vor zehn Jahren aus Alt-Pankow,
Prenzlauer Berg und Weißensee gebildeten Großbezirks war Alex Lubawinski
von der SPD. Auf ihn folgte 2002 der PDS-Politiker Burkhardt Kleinert. Da
dessen Partei, nunmehr als Linke, 2006 nicht mehr stärkste Kraft wurde, war
die SPD mit Matthias Köhne an der Reihe. Bis dahin war Köhne als
Umweltstadtrat Mitglied in Pankower Bezirksamt.
Die Titelverteidigung also. Dafür hat sich Matthias Köhne einiges
vorgenommen. Auf der Startseite seiner Website zum Beispiel prangt
unverkennbar ein Antiatombutton. "Ich mache meine Website selbst", sagt er
stolz. Auch einen Wahlspot hat der Amtsinhaber aufzeichnen lassen. Ganz
staatsmännisch gibt er sich vor der Kamera und lobt die Vielfalt seines
Bezirks, der den meisten Zuwachs an Einwohnern verzeichnet aber auch den
größten Schuldenberg unter den zwölf Bezirken.
Von einem Amtsbonus will Matthias Köhne allerdings nichts wissen. Nur
soviel sagt er: "Als Amtsinhaber ist man nicht Angreifer, man ist der
Gejagte." Nur, wer sind die Jäger?
Da ist zunächst Jens-Holger Kirchner, der Stadtrat für öffentliche Ordnung,
der mit der Einführung der Ekelliste bundesweit bekannt wurde. Gleichzeitig
aber hat Kirchner mit renitenten Bürgern beim Umbau der Kastianienallee zu
kämpfen. Kirchners erklärtes Ziel ist es, Matthias Köhne als
Bezirksbürgermeister abzulösen.
Und da ist Christine Keil von den Linken. Die Gesundheitsstadträtin hält
sich etwas zurück, was ihre Bürgermeisterambitionen angeht. Offiziell ist
sie nicht einmal Spitzenkandidatin, lediglich die Bezirksliste führt sie
an.
Welche Partei derzeit im Bezirk vorne liegt, weiß keiner. Bezirkliche
Umfragen gibt es nicht. Matthias Köhne hofft: "Die SPD wird stärkste
Partei, gefolgt von den Grünen und der Linken."
Seine Hoffnung begründet er mit der "politischen Dynamik" in Berlin wie
auch in Pankow. "Es gibt eine günstige Stimmungslage für die SPD. Die
Grünen dagegen merken, dass sie lange Zeit überbewertet waren."
Überhaupt, die Grünen. Wenn Matthias Köhne über die Künast-Partei spricht,
wird er ernst, sagt Dinge wie: "Die tun immer, als wären sie klüger oder
was besseres." Reine Attitüde sei das, ärgert sich der SPD-Mann. "Wenn sie
mal regieren, stecken sie in den selben Zwängen wie andere." Ob der Wähler
das weiß? Köhne ist sich da nicht so sicher. Wer die Grünen wählt, wählt
schließlich nicht nur Bezirkspolitik, sondern auch ein Lebensgefühl. Und
das ist zwischen Schönhauser Allee und Greifswalder Straße, zwischen
Senefelder Platz und Bahnhof Pankow weit verbreitet.
Aber auch für die Grünen gilt: Die Pankower Wählerinnen und Wähler sind
unberechenbar. Als vor zwei Jahren der Bundestag gewählt wurde, lief sich
Renate Künasts Wahlkampfleiter Heiko Thomas warm für ein Direktmandat in
Pankow. Als erster Grüner wollte er den Dauerinhaber Wolfgang Thierse von
der SPD ablösen.
Abgelöst wurde der brummbärtige SPD-Promi tatsächlich. Freilich nicht von
den Grünen, sondern der Linkspartei. Auch Matthias Köhne hatte mit einem
solchen Ergebnis nicht gerechnet. "Das war eine Riesenüberraschung für
mich."
Ginge es nach Matthias Köhne, könnte nach dem 18. September in Pankow gerne
alles beim alten bleiben. In der Bezirksverordnetenversammlung würden SPD
und Linke weiter den Ton angeben, die Grünen würden - vergebens - stänkern.
Und Matthias Köhne würde Bezirksbürgermeister bleiben. Bis zur nächsten
Wahl 2016. Dann wäre er 50 und würde sich automatisch für Höheres
empfehlen.
Köhne schüttelt den Kopf. Nein, sagt er, Karrieren kann man nicht planen,
politische schon gar nicht. "Man muss sich durch seine politische Arbeit
qualifizieren." Seine Arbeit ist der Bezirk, und auf den ist er stolz, auch
wenn er ihn nicht verkaufen kann wie ein Werbeprofi. Auf die Frage nach den
Attributen von Pankow überlegt er lange und sagt dann: "Pankow kann man
nicht unter einen Nenner bringen." Recht hat er - und weiß doch, dass
Matthias Köhne mit solchen Sätzen niemals zur Marke werden wird.
Aber vielleicht will er das gar nicht. "Wenn Sie mich auf Heinz Buschkowsky
ansprechen, sage ich nur: Ich bin froh, dass ich seine Probleme nicht habe.
Da nehme ich auch in Kauf, dass sich gute Nachrichten schlechter vermarkten
lassen als schlechte."
8 Jul 2011
## AUTOREN
Uwe Rada
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