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# taz.de -- Deutschland-Chef von Standard & Poors: "Ratings sind Meinungsäuße…
> Torsten Hinrichs, Deutschland-Chef von Standard & Poors, sagt: Die
> Hauptursache der Krise ist die Schuldenpolitik der Staaten. Und erklärt,
> wie Ratingagenturen Länderratings erstellen.
Bild: Daumen hoch, Daumen runter – Länder wie Griechenland, Irland und auch…
taz: Herr Hinrichs, Ratingagenturen haben momentan nicht den besten Ruf.
Können Sie den Unmut nachvollziehen?
Torsten Hinrichs: Nein, überhaupt nicht. Wir geben eine Meinung ab zur
künftigen Zahlungsfähigkeit von Schuldnern an den Kapitalmärkten. Und diese
Meinung geben wir unabhängig von politischen Wünschen ab. Das macht uns im
Augenblick bei manchen Politikern unbeliebt. Nicht wir sind schuld an den
wirtschaftlichen Problemen. Die Versäumnisse hat die Politik in den
jeweiligen Ländern zu verantworten.
Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) ärgert sich über Ihre
Fehleinschätzungen, etwa im Zusammenhang mit der Lehman-Bank, deren Pleite
Sie nicht vorhergesehen haben.
Wenn wir in den letzten Jahrzehnten nicht durchweg gut gelegen hätten, dann
würden wir heute auf den Märkten nicht so sehr berücksichtigt werden.
Insoweit ist der Vorwurf nicht haltbar. Jedes Rating - auch ein einfaches
A-Rating, wie Lehman es damals hatte - hat eine gewisse
Ausfallwahrscheinlichkeit. Ratings stellen keine absolute Prognose von
Ausfallwahrscheinlichkeiten in Prozenten dar. Bei einem hohen Rating ist
ein Ausfall weniger wahrscheinlich als bei einem niedrigen. Aber auch die
hoch bewerteten Ratings bergen ein gewisses Ausfallrisiko.
Ratingagenturen haben die Schuldenkrise vielleicht nicht verschuldet, aber
doch zu einer Verschärfung beigetragen.
Ganz im Gegenteil: Wir haben bereits 2004 begonnen, Griechenland
herabzustufen. Das hat zu dem Zeitpunkt nur niemand beeindruckt. Die
Risikoprämien blieben weiterhin niedrig.
Aber ist es nachvollziehbar, ein Land wie Portugal nach undurchsichtigen
Kriterien herabzustufen, das darum bemüht ist, den Haushalt zu sanieren?
Portugal wurde gerade von Moody's abgewertet, deswegen kann ich dazu gar
nichts sagen. Was den Vorwurf der Intransparenz betrifft: Wir sind sehr
transparent. Unser Kriterienkatalog ist für jeden auf unserer Website
nachlesbar.
Wie erstellen Sie ein Rating?
Es gibt klare Kriterien, an die wir uns zu halten haben. Diese werden
abgearbeitet. Die Antworten werden dann zu einem Rating zusammengefasst.
Wie viel Statistik ist dabei, wie viel persönliches Urteil?
Bei Länderratings sind ungefähr die Hälfte Kennzahlen, die andere Hälfte
ist Bewertung. Ratings sind ja zukunftsgerichtete Einschätzungen. Unsere
Analysten müssen heute Annahmen treffen über künftige Wirtschaftsfaktoren
wie etwa Wachstum oder Arbeitslosigkeit. Und wie das bei Annahmen so ist:
Wenn sie nicht eintreffen, müssen die Ergebnisse korrigiert werden. Damit
Anleger sich ein eigenes Bild machen können, veröffentlichen wir immer, von
welchen Annahmen wir ausgehen. Dazu kommt dann aber die Interpretation von
Aspekten wie der politischen Situation und der Stabilität eines Landes. Ein
Länderrating ist also mehr als nur ein Vergleich von Zahlen.
Stimmt es, dass für Länderratings häufig nur eine Person zuständig ist und
ihr bloß ein Koanalyst zur Seite gestellt wird?
Wir haben natürlich einen Hauptverantwortlichen, und der wird unterstützt
von einem weiteren Analysten. Gemeinsam erstellen sie anhand unserer festen
Kriterien die Analyse. Dabei handelt es sich auch lediglich um einen
Vorschlag, der dann einem Ratingkomitee unterbreitet wird. Dieses Komitee
besteht aus einer Gruppe von sehr erfahrenen Analysten, die dann über das
Rating nach ausführlicher Diskussion aller Details abstimmen.
Erfordern Länderratings aber nicht sehr umfangreiche Recherchen, die von
wenigen Personen nur unzureichend geleistet werden können?
Sämtliche Zahlen sind ja verfügbar, in Europa zum Beispiel über Eurostat.
Diese Zahlen werden ergänzt durch den Dialog mit den Finanzministerien.
Sie wollen sagen, dass die Finanzminister an ihren Ratings unmittelbar
beteiligt sind?
Bei 90 Prozent unserer 127 Länderratings gibt es einen Dialog zwischen den
Regierungen und unseren Analysten, also die Befragung der Verantwortlichen
durch unsere Analysten.
Ist es dann nicht verlogen, wenn Schäuble sich aufregt?
Eine solche Bewertung überlasse ich Ihnen.
Im Zuge einer stärkeren Regulierung der Finanzmärkte wurde die Rolle der
Ratingagenturen gestärkt. Haben Ratingagenturen nun zu viel Macht?
Schon als über Basel II noch diskutiert wurde, sprachen wir uns dagegen
aus, unsere Ratings in solche Regelwerke aufzunehmen. Wir wollten das gar
nicht.
Haben Sie sich gewehrt?
Wir haben zumindest deutlich gemacht, dass wir unabhängig bleiben wollen
und für uns auch weiterhin die Meinungsfreiheit reklamieren.
Einige EU-Kommissare schlagen Ihre Zerschlagung vor.
Ein solches Szenario ist für mich schwer vorstellbar. Grundsätzlich
begrüßen wir aber mehr Wettbewerb. Je mehr Meinungen den Investoren zur
Verfügung stehen, desto solider wird die Investmententscheidung.
14 Jul 2011
## AUTOREN
Felix Lee
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