# taz.de -- Debatte Weltwirtschaft: China ertrinkt im Geld der Investoren | |
> Die europäische Staatsschuldenkrise verschärft Chinas Inflation. Das Land | |
> kann sich vor lauter Geld kaum retten. Europas Genesung würde die | |
> Probleme der Chinesen mildern. | |
Bild: Weil es in China keine langfristig angelegten Anlageformen gibt, wird auc… | |
Es brennt, und zwar in nahezu allen großen Volkswirtschaften. Die USA, | |
Japan und die EU-Länder haben mit gigantischen Schuldenbergen zu kämpfen, | |
und einige von ihnen müssen ernsthaft um ihre Kreditwürdigkeit fürchten; | |
ihnen droht der Staatsbankrott. | |
Umgekehrt sieht es bei den Chinesen aus. Sie können sich vor lauter Geld | |
kaum retten. Aber auch das ist ein Problem: Die Inflation im Reich der | |
Mitte schwillt mit zuletzt 6,4 Prozent immer weiter an. Es strömt zu viel | |
Geld ins Land. So gegensätzlich die Probleme in Europa, Japan und den USA | |
auf der einen Seite und in China auf der anderen erscheinen mögen - die | |
Krise der westlichen Länder verschärft die in China. | |
Sicherlich stehen beide Krisenformen zunächst einmal jeweils für sich. | |
Griechen, Iren, Portugiesen und US-Amerikaner haben zu lange über ihre | |
Verhältnisse gelebt. Vor allem aber die von zügellosen Bankern verursachte | |
Finanzkrise hat staatlich finanzierte Rettungspakete in bislang nie | |
gekannter Höhe erst nötig gemacht und damit die aktuelle Schuldenkrise | |
ausgelöst. Das rächt sich nun. | |
Die chinesische Wirtschaft wiederum hat all die Jahre zu sehr auf | |
exportgetriebenes Wachstum gesetzt, gestützt auf eine Währungspolitik, bei | |
der mit Stützungskäufen der Wechselkurs der nicht frei konvertierbaren | |
Landeswährung Renminbi künstlich niedrig gehalten wird. | |
Darüber werden die chinesischen Banken jedoch zusätzlich mit Geld geflutet. | |
Um den weltwirtschaftlichen Einbruch von 2009 zu kompensieren, hatte die | |
chinesische Führung ein gigantisches Konjunkturpaket von 590 Milliarden | |
Dollar in die Wege geleitet und mit einer gleichsam großzügigen | |
Kreditvergabe dafür gesorgt, dass der Wachstumskurs beibehalten wird. Das | |
war offensichtlich zu viel des Guten. Jetzt leiden die Chinesen unter den | |
rasant steigenden Preisen. Ihre gesamte Wirtschaft droht zu überhitzen. | |
## Schlupflöcher für staatlich kontrollierte Investitionswege | |
Nun ist eine moderate Inflation keineswegs schlecht - so lange die Löhne | |
mitsteigen und für einen allgemeinen Preisauftrieb sorgen, was in einem | |
Billiglohnland wie China dazu führt, zu internationalen Lohnstandards | |
aufzuschließen. Das findet in einem nicht geringen Maße in China derzeit | |
auch statt. Zum großen Problem wird es, wenn neben der umstrittenen | |
Währungspolitik die Inflation auch noch von Anlegern aus dem Ausland | |
angefeuert wird. Und dieser spekulationsgetriebene Teil der Inflation hat | |
auch mit den Schuldenkrisen in Europa und den USA zu tun. | |
So strömt seit einiger Zeit massiv ausländisches Kapital ins Reich der | |
Mitte. Dabei handelt es sich um "heißes Geld" - Kapital von Anlegern aus | |
aller Welt, die auf ihrer Suche nach schneller Rendite in den | |
krisengeschüttelten USA und den EU-Ländern immer weniger fündig werden und | |
nun stattdessen am boomenden China verdienen wollen. Zwar wird der | |
Kapitalzufluss in China staatlich kontrolliert; offiziell kann Geld | |
zumindest in hohen Summen nicht so einfach ein- und ausgeführt werden. | |
Doch längst gibt es Schlupflöcher, und Spekulanten haben Wege gefunden, wie | |
sie doch Geld in großen Mengen nach China schaffen. So ist die ehemalige | |
britische Kronkolonie Hongkong mit ihrem Sonderstatus für Spekulanten | |
inzwischen das Eingangstor in die Volksrepublik geworden. Zum Teil wird | |
ausländisches Geld gar auch kofferweise ins Land geschmuggelt. Es wird | |
vermutet, dass es mehrere hundert Milliarden Dollar sind, die in den | |
vergangenen Monaten auf diesem Wege in die Volksrepublik geflossen sind. | |
## Spekulation auf Teeblätter | |
Diese Attacke von Spekulationsgeld heizt die chinesischen Märkte derzeit | |
zusätzlich an. Und weil es in China zugleich keine langfristig angelegten | |
Anlageformen gibt, wie etwa eine vernünftige Rentenversicherung, wird | |
momentan nicht nur auf Immobilien, Rohstoffe und Aktien eifrig spekuliert, | |
sondern auch auf Kunst, Antiquitäten und selbst auf Lebensmittel wie grüne | |
Linsen oder Teeblätter. Auch das treibt die Preise hoch. | |
Die chinesische Notenbank versucht gegenzusteuern. Sechsmal wurde der | |
Mindestreservesatz der Geschäftsbanken bereits angehoben, um die Aufnahme | |
von neuen Krediten zu erschweren. Der Satz liegt derzeit bei 20 Prozent der | |
Spareinlagen. Und auch den Leitzins hat die chinesische Notenbank innerhalb | |
eines Jahres sechsmal erhöht. Bislang ohne Erfolg. | |
Solange es in Europa und den USA kriselt, strömt immer mehr heißes | |
Spekulationsgeld ins lukrative China und lässt die Geldmenge weiter | |
anschwellen und die Verbraucherpreise steigen. Dass die Inflation in China | |
immer höher wird, hängt also auch mit der Schuldenkrise in der Eurozone | |
zusammen. | |
## Nehmt das chinesische Geld | |
Die chinesische Führung hat auch deshalb großes Interesse, dass die | |
EU-Länder ihre Schuldenkrisen zügig in den Griff bekommen. Unter anderem, | |
weil es nicht auf eine einheitliche Bewältigungsstrategie der Europäer | |
vertraut, will China bei der Beilegung der europäischen Krise mitwirken. | |
Staatsanleihen der Griechen und Portugiesen hat die chinesische Zentralbank | |
bereits erworben. Auch den milliardenschweren Euro-Stabilitätsfonds möchten | |
die Chinesen mit dem Kauf von Anleihen mitfinanzieren. | |
Bislang misstrauen Europäer allerdings der chinesischen Hilfe. Viele | |
argwöhnen, erpressbar zu werden und dass eine Abhängigkeit von China auch | |
politisch genutzt werden könnte. Dabei muss es in der Tat nicht einmal um | |
prinzipielle Streitpunkte gehen, wie Pekings Haltung zu | |
Menschenrechtsfragen. Auch in Handelsfragen gibt es genügend | |
Reibungspunkte. | |
Ob es aber Chinas Führung gelingen wird, tatsächlich massiv Macht | |
auszuüben, hängt nicht zuletzt davon ab, wie sich die europäischen | |
Regierungen das gefallen lassen. Es ist auf den Weltkapitalmärkten gang und | |
gäbe, sich gegenseitig Geld zu leihen. Und bislang gelang es den EU-Staaten | |
immer, sich in politischen Fragen auch von größeren Gläubigern, etwa aus | |
arabischen und anderen asiatischen Ländern, nicht unter Druck setzen zu | |
lassen. Warum sollte es bei den Chinesen anders sein? | |
Ob die Chinesen ihre Hilfsangebote an die Europäer weiter aufrechterhalten, | |
können sie dann ja immer noch selbst entscheiden. Momentan ist davon | |
auszugehen. Sie helfen ja aus Eigeninteresse. | |
19 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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