# taz.de -- Neue Währungspolitik in China: "Es könnte ganz schnell gehen" | |
> China will seinen rigide kontrollierten Finanzmarkt öffnen – aber | |
> vorsichtig. Das ist gut, sagt Henning Vöpel vom Hamburgischen | |
> Weltwirtschaftsinstitut. | |
Bild: Neue Konkurrenz: Yuan und Dollar. | |
taz: Herr Vöpel, bisher konnte man mit der chinesischen Währung außerhalb | |
Chinas nicht frei handeln. Nun können immer mehr Firmen in chinesischer | |
Währung investieren. Ist diese zunehmende Internationalisierung des Yuan | |
gut für das Weltwährungssystem? | |
Henning Vöpel: Das ist eine gute Entwicklung und wird schrittweise zu einer | |
vollständigen Konvertibilität des Yuan führen. Peking hat bislang den Yuan | |
stark unterbewertet, um die heimische Industrie zu entwickeln. Das hat auch | |
geklappt. Die Kehrseite dieser Politik: Sie hat zu einem globalen | |
Ungleichgewicht beigetragen, vor allem zwischen China und den USA. Nicht | |
zuletzt hat diese enorme Verschuldung der USA gegenüber China zur | |
Finanzkrise beigetragen. Eine Aufwertung des Yuan wird dieses | |
Ungleichgewicht abbauen. | |
Was haben die Chinesen davon? | |
Mit ihrer bisherigen Strategie haben die Chinesen die heimischen Waren | |
gewissermaßen zu billig ausgeführt, der Export boomt. Zugleich sind Importe | |
aber teuer. Die Produktion in China geht aber zunehmend von einfachen und | |
arbeitsintensiven Tätigkeiten über zu kapitalintensiven Produkten, sprich: | |
China ist immer stärker auf Importe von Rohstoffen und Vorprodukten | |
angewiesen. Und da würde eine Aufwertung der eigenen Währung helfen, die | |
Importpreise zu senken und dem Inflationsdruck entgegenzutreten. | |
Warum hat Peking diesen Prozess nicht früher angeschoben? | |
Die chinesische Führung folgt einer klaren Strategie. Zunächst wollte sie | |
die heimische Industrie aufbauen und hat sehr viele Währungsreserven | |
angesammelt. Angesichts des steigenden Inflationsdrucks und der teueren | |
Importe sieht sie jetzt den Zeitpunkt gekommen, den Binnenkonsum zu | |
stärken. Wenn man so will, leitet sie mit einer kontrollierten Aufwertung | |
ihrer Währung schrittweise eine zweite Phase innerhalb ihrer | |
Entwicklungsstrategie ein. | |
Ist das ein Angriff auf den US-Dollar? | |
Nein, China hat sich bereits zu einer der wichtigsten Volkswirtschaften | |
entwickelt und passt seine Währung nun entsprechend an. Die Aufwertung des | |
Yuan bildet ökonomische Realitäten ab. | |
Verliert der Dollar damit aber nicht seine Vorreiterrolle? | |
Der Dollar bleibt vorerst wichtigste Reservewährung, was aber nicht nur | |
Vorteile hat. Ein Land, dessen Währung als Weltreservewährung dient, muss | |
groß genug sein, um überhaupt ausreichend eigene Währung zur Verfügung | |
stellen zu können. Die Schweiz etwa ist zu klein, um die Welt mit Franken | |
zu versorgen. Wenn alle Welt aber in Dollar anlegt, verliert die Notenbank | |
an Einfluss über die Kapitalströme. Ein Land, das eine Reservewährung | |
stellt, weist zudem strukturell ein Leistungsbilanzdefizit auf. Wenn die | |
Leute Dollar nachfragen, weil sie den Greenback als Reservewährung halten | |
wollen, führt dies automatisch zu einer Aufwertung, was wiederum die | |
Leistungsbilanz ins Minus zerrt. Eine Zunahme der Forderungen in Dollar | |
entspricht immer genau dem Leistungsbilanzdefizit. Entsprechend müsste | |
gegengesteuert werden, was aber alles andere als einfach ist. Insofern ist | |
es auch ein großer Vorteil für die USA, wenn der Renminbi langfristig eine | |
Reservewährung wird. | |
Von welchem Zeitraum sprechen wir? | |
Theoretisch könnte eine Freigabe des Yuan ganz schnell gehen. Dazu braucht | |
es nur einen Beschluss. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass die | |
chinesische Führung das machen wird. Bei allen bisherigen | |
Wirtschaftsreformen ist sie Schritt für Schritt vorgegangen. Eine volle | |
Freigabe bedeutet, dass sie die Oberhand über die Devisenbewirtschaftung | |
und den Kapitalverkehr verliert, den sie derzeit noch kontrolliert. Ich | |
kann mir nicht vorstellen, dass China in den nächsten drei Jahren dazu | |
bereit ist. Ich rechne eher mit einem Zeitraum von zehn Jahren. | |
Was heißt das für Europa? | |
An und für sich ist das auch für uns positiv, weil globale Ungleichgewichte | |
abgebaut werden. Gerade Chinas Bemühungen, einen größeren Währungsraum in | |
Asien zu etablieren, macht aber einen großen Währungsraum auch in Europa | |
erforderlich. Die enorme Vernetzung der Kapital- und Gütermärkte wird dazu | |
führen, dass wir weltweit nur noch zwei oder drei bedeutende Weltwährungen | |
haben werden. Auch unter diesem Gesichtspunkt sollten wir alles dafür tun, | |
den Euro als eigene Reservewährung zu stabilisieren. | |
6 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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