# taz.de -- Gangsterboss an China ausgeliefert: Die steile Karriere von "Dicker… | |
> Der Sohn einer armen Bauernfamilie stieg zu Chinas Schmugglerkönig auf. | |
> Dann wurde ihm der Boden zu heiß. Jetzt hat Kanada ihn an China | |
> ausgeliefert. | |
Bild: 12 Jahre hat er gegen seine Auslieferung gekämpft: Lai Changxing. | |
PEKING taz | Niemand war so großzügig wie Gangsterboss Lai Changxing: Mit | |
geschenkten Villen, Luxusautos, schönen Studentinnen und Sauna- und | |
Mahjongwochenenden verwöhnte der Selfmademan viele Jahre lang | |
Geschäftspartner, Zollbeamte und Funktionäre der Kommunistischen Partei. | |
Als sich die Schlinge um seinen Hals zuzuziehen drohte, floh er über | |
Hongkong nach Vancouver. | |
Jetzt ist er wieder zu Hause - nach zwölfjährigem Kampf gegen seine | |
Auslieferung. Am Wochenende brachten ihn kanadische Polizisten im Flugzeug | |
aus Vancouver nach Peking zurück. Vorher hatte die chinesische Regierung | |
den Kanadiern versprechen müssen, dass die Richter den 53-Jährigen in einem | |
künftigen Prozess nicht zum Tode verurteilen und dass er in der Haft nicht | |
gefoltert werde. | |
Seine Geschichte ist ein Polit- und Gangsterthriller, der in den ersten | |
Jahren der Wirtschaftsreformen in Chinas Goldrauschzeiten der Küstenprovinz | |
Fujian begann. Als Chef eines Schmugglersyndikats soll Lai mit Hilfe eines | |
weitgespannten Netzes korrupter Funktionäre zwischen 1996 und 1999 Waren im | |
Wert von rund 5 Milliarden Euro importiert haben: unter anderem Autos, | |
Erdöl, Zigaretten und Elektronik. | |
Lai habe Häfen und Transportwege, Tankstellen und Immobilien kontrolliert, | |
heißt es. Chinesische Zeitungen prophezeiten deshalb jetzt "schlaflose | |
Nächte, Magersucht und Depression" unter seinen früheren Günstlingen. Denn | |
"Dickerchen Lai", wie Freunde den rundlichen Mann nennen, hatte gedroht, er | |
werde "viele hohe Funktionäre" ins Gefängnis bringen, falls er nach China | |
zurückkehren müsse. Eine Anklage gegen Lai ist bisher nicht erhoben worden, | |
offiziell wird noch ermittelt. | |
## Adoption in Hongkong | |
Die Karriere von Gangsterboss Lai ist typisch für jene Generation | |
chinesischer Geschäftsleute, die das Chaos nach dem Ende der Planwirtschaft | |
für sich zu nutzen wussten: Als eines von acht Kindern einer armen | |
Bauernfamilie ging er nur drei Jahre lang zur Schule. 1979 eröffnete er mit | |
Freunden eine Autoreparaturwerkstatt. 1991 ließ er sich in Hongkong von | |
Bekannten adoptieren, um den begehrten Hongkonger Ausweis zu erhalten, der | |
ihm Reisefreiheiten und geschäftliche Vorteile bot. 1994 gründete er seine | |
Import- und Exportfirma Yuanhua in der Stadt Xiamen. | |
Als sich der damalige Premierminister Zhu Rongji 1999 schließlich | |
durchrang, gegen die Machenschaften Lais vorzugehen, flüchtete der mit | |
seiner Frau und drei Kindern im Speedboot nach Hongkong. Zwei Monate später | |
landete er in Vancouver und beantragte Asyl mit dem Hinweis, er müsse in | |
China Todesstrafe und Folter fürchten. In Kanada machte er durch seine | |
engen Kontakte zu den örtlichen chinesischen Triaden, den "Big Circle | |
Boys", von sich reden. | |
Zu Hause in der Hafenstadt Xiamen hatten sich die Behörden nach Lais Flucht | |
zunächst eine besondere Lektion fürs Volk ausgedacht: Sie öffneten sein | |
berühmtes "Rotes Haus" mit den Massagesalons, Karaoke-Zimmern und Suiten | |
als "Korruptionsausstellung" für Besucher. Was als Warnung vor den Folgen | |
der Versuchung und moralischen Verworfenheit gedacht war, entpuppte sich | |
aber bald als populäre Sehenswürdigkeit. Nach wenigen Wochen wurde das Haus | |
wieder geschlossen. Heute dient es - Ironie der Geschichte - als | |
Fortbildungszentrum. | |
25 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Jutta Lietsch | |
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